Werden Sie auch der verpflichtenden Chatkontrolle zustimmen?
Sehr geehrter Herr Ertrug,
Sie haben bereits der ersten Version der Chatkontrolle zugestimmt, die das anlasslose Durchsuchen von Privatnachrichten durch Diensteanbieter erlaubt. Nun gibt es Bestrebungen, eine verpflichtende Chatkontrolle einzuführen.
Ich bitte Sie, überlegen Sie sich noch einmal wo das alles hinführen kann. Ich hoffe, Sie kennen die Argumente der Gegner des Vorhabens, wenn Sie solche Entscheidungen treffen.
Freundliche Grüße
David Schubert
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Unser Büro befindet sich aktuell in der Sommerpause. Ab Montag, 23.08.2021 sind wir wieder gerne für Sie erreichbar. Mails werden in der Zwischenzeit nicht gelesen und bearbeitet.
Einen schönen Tag wünscht
Team Ertug
Büro von MdEP Ismail Ertug
SPD Europabüro Oberpfalz
Fon: +49 (0) 941 29 79 98 73
Fax: +49 (0) 941 29 79 98 75
Homepage: www.ertug.eu
Antonie-Pfülf-Haus
Richard-Wagner-Str. 4
D-93055 Regensburg
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht zur temporär gültigen Verordnung für eine Ausnahme vom Prinzip der Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation zum Zweck des Aufspürens von Kindesmissbrauchsdarstellungen und so genanntem Cybergrooming, die am 06. Juli 2021 von Plenum des EU-Parlaments angenommen wurde.
Sexueller Kindesmissbrauch ist ein schreckliches Verbrechen und eine Verletzung von Grund- und Menschenrechten. Das gilt für die reale Welt ebenso wie für die digitale Welt, wenn Bilder des Missbrauchs von Minderjährigen immer wieder aufs Neue geteilt werden. Gleichzeitig ist die Vertraulichkeit der Kommunikation ein unverzichtbarer Grundpfeiler in unserer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft.
In diesem Spannungsfeld waren Diskussionen und Entscheidungen schwierig. Denn es war klar: wir können uns nicht für das eine ODER das andere entscheiden.
Bei der nun angenommenen Verordnung handelt es sich um eine nur vorübergehend, für drei Jahre, gültige Regelung. Diese ist ein Kompromiss zwischen der Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet einerseits und dem Schutz der Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer andererseits. Der Kompromiss ermöglicht es Providern, weiterhin auf freiwilliger Basis Nachrichten auf Missbrauchsdarstellungen oder auch auf mögliches Cybergrooming hin zu scannen.
Die Übergangsverordnung wurde aus Sicht der EU-Kommission notwendig, weil der Anwendungsbeginn einer anderen EU-Richtlinie (der so genannte Kodex für Elektronische Kommunikation) ein Scanning von privaten Nachrichten und damit auch das Finden von Material des Kindesmissbrauchs durch die Dienstanbieter ohne konkrete Einwilligung unmöglich gemacht hätte.
Sicherlich ist der nun gefundene Kompromiss nicht in allen Bereichen zufriedenstellend. Als EU-Parlament konnten wir aber deutliche Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzesvorschlag erzielen, insbesondere mit Blick auf die bestehende Datenschutzgesetzgebung. Wir haben etwa erreicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer sowohl generelle Hinweise über das Scannen von Daten erhalten, als auch besser über ihre Rechte informiert werden. Darüber hinaus müssen die gesammelten Daten nach 12 Monaten gelöscht werden. Das Scannen von Textkommunikation soll nur auf Grundlage von bestimmten Verdachtsindikatoren erfolgen, wie etwa der möglichen Beteiligung eines Kindes an dem Gespräch. Schließlich haben wir erreichen können, dass die Dienstanbieter eng mit den nationalen Datenschutzbehörden zusammenarbeiten müssen. Diese können grundrechtsfeindliche Technologien untersagen.
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der angenommenen Verordnung um eine Übergangslösung für die nächsten drei Jahre. Die EU-Kommission hatte versprochen, noch vor der Sommerpause einen neuen, dauerhaften Rahmen für die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch vorzuschlagen. Jetzt wird jedoch deutlich, dass sich die Kommission für einen solchen Gesetzesvorschlag noch mindestens bis September oder Oktober Zeit lassen wird. Ich erwarte einen deutlich verbesserten Vorschlag und eine ordentliche Folgenabschätzung zu den Auswirkungen auf unsere Grundrechte: Die langfristige Lösung muss sich mindestens an den Datenschutzgarantien der temporären Lösung orientieren. Zudem muss sie zwingend Lösungen für das gezieltere Scannen privater Kommunikation finden.
Datenschutz und Schutz der Vertraulichkeit sind eben kein Täterschutz, sondern Basis der Demokratie: Wir müssen die Vertraulichkeit von privaten Nachrichten auch im Sinne unserer Kinder besser schützen; beispielsweise wenn es um die höchst sensible Kommunikation zwischen einem Missbrauchsopfer und etwa seinem Arzt oder seiner Anwältin geht.
Ich hoffe, ich konnten Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen nach Garching,
I. E., MdEP