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Frage von Irmgard R. •

Frage an Ismail Ertug von Irmgard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ertug,

ich habe Ihre Antwort vom 29.10.2013 an Herrn Mayer gelsen.

Mich wundert es immer wieder, wie einfach manche Bessergestellten und Politiker über die Probleme der einfachen Menschen hinwegsehen. Menschen die gar nicht gekündigt werden können oder weich mit Übergangsgeldern versorgt werden. Gerade von Ihrer Partei bin ich dabei massiv enttäuscht. Stets wird darauf verwiesen, wenn es einen Mindestlohn gäbe, wenn es eine Mietpreisbremse gäbe usw. Es gibt sie aber nicht! Warum hat Ihre Partei die von 1998 bis 2009 regiert hat, z.T. mit einer rot-grünen Mehrheit im Bundestag und Bundesrat, all das nicht beschlossen? Wie oft sollen sich die WählerInnen denn noch von der SPD veräppeln lassen, die immer vor Wahlen nach links blinkt?- dann aber m.E. rechts abfährt.

Mein Arbeitgeber sagte mir unverblümt, dass er lieber eine jüngere Polin einstellt. Wollen Sie mir wirklich weismachen, dass zusätzliche Einwanderung für einfach und mittel qualifizierte Menschen nicht zum Problem werden kann?

Ich denke das ist reine Mathematik. Denn ein Zuwanderer kann gar nicht so viel konsumieren, dass ein neuer Job entstünde. Er wird also am Arbeitsmarkt suchen und dann ist das eben für Kranke, Mittel-und Geringqualifizierte und Ältere schon ein Problem. Verstehen Sie das und wie wollen Sie das ändern?

Wenn man stets auf den Nutzen bei Hochqualifizierten verweist, möge man bitte auch nur solche Menschen ins Land lassen oder tatsächliche Asylbewerber. Warum nimmt man statt dessen Wirtschaftsflüchtlinge auf?

Mit freundlichen Grüßen

Irmgard Resch

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Resch,

warum sie ausgerechnet von meiner Partei enttäuscht sind, erschließt sich mir nicht ganz. Schließlich sind es Unions-Politiker, die ohne Karenzphase oder sogar noch während ihrer Amtszeit in die Wirtschaft wechseln. Ganz aktuell zum Beispiel Eckart von Klaeden, gegen den jetzt auch die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Vorteilsannahme ermittelt. Oder auch Roland Koch, Otto Wiesheu usw. Ganz zu schweigen von den Spenden, die die Quandt-Familie und Tengelmann-Inhaber dieser Welt an die Union bezahlen.

Bei den Themen Mindestlohn und Mietpreisbremse gebe ich Ihnen insofern recht, als dass beides kommen muss. Die Kritik, warum die SPD das bislang nicht geschafft hat, ist ungerechtfertigt. Nicht jedes Thema, das heute aktuell ist und das ein drängendes Problem darstellt, war das auch schon zu Zeiten von Rot-Grün. Das Problem rasant steigender Mieten war damals noch nicht virulent. Und auch die Gewerkschaften haben sich auch erst nach der rot-grünen Regierungszeit für den Mindestlohn positioniert. Die Umsetzung des Mindestlohns ist seither an der Union gescheitert, die Mietpreisbremse wird aktuell von der Union auch abgelehnt.

Beim Thema Migration muss ich einiges klarstellen. Zum einen gibt es innerhalb der EU für alle Bürgerinnen und Bürger Personenfreizügigkeit und Dienstleitungsfreiheit. Im Rahmen dieser Grundfreiheiten kann Migration nicht eingeschränkt werden. Ein anderer Punkt ist die Flüchtlings- und Asylpolitik, bei der die Nationalstaaten unter Beachtung europarechtlicher Normen Gestaltungsspielraum haben. Allerdings bin ich bei diesem Punkt die populistische Debatte leid, immer so getan wird, als ob Menschen aus Notsituationen fliehen, nur um dann in Deutschland auf Kosten anderer zu leben und sich einen faulen Lenz zu machen. Dazu verweise ich im Weiteren auf meine Antwort zu Herrn Mayers Frage.

Migration in dem Umfang, wie wir sie derzeit erleben ist in einem Land mit über 81 Mio. Menschen keine Gefahr. Wie Sie auch der Antwort auf Herrn Mayers Frage entnehmen können, sind die Zahlen für Deutschland relativ gering. Eine wachsende und dynamische Volkswirtschaft wie die der BRD ist zum einen sehr gut in der Lage, einerseits die Zuwanderung aufzufangen und andererseits zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Dies zeigen die aktuell veröffentlichten Zahlen der Arbeitsagentur zum Höchststand der Beschäftigung.

Der Begriff Wirtschaftsflüchtling oder Armutsflüchtling ist nicht zutreffend, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer interessanten Studie - mittels angewandter Mathematik - zu Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien festgestellt hat ( http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k130814303 ). Das IAB zeigt auf, dass diese Zuwanderung am besten als Arbeitsmigration bezeichnet werden sollte, die volkswirtschaftlichen Mehrwert erzeugt, und die Zuwanderer - im Gegensatz zur populistisch geführten Debatte - unterdurchschnittlich Transferleistungen in Anspruch nehmen. Sie tragen aufgrund ihrer günstigen Altersstruktur sogar zur Stabilisierung der Sozialkassen in Deutschland bei, da sie hier Beiträge zahlen (und auch Steuern). Somit sind sie für Ältere mitnichten ein Problem - und warum ein Zuwanderer für einen kranken Biodeutschen ein Problem darstellen soll, ist mir schleierhaft. Sie machen hier die falsche Konfliktlinie auf: der Verteilungskonflikt besteht nicht zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmern, sondern zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Die eigentliche Gefahr sind daher ausbeuterische Unternehmen, in dem sie billige Arbeitskräfte aus dem Ausland holen und unterhalb der geltenden Standards arbeiten lassen. Genau das wollen wir aber mit einem Mindestlohn unterbinden, d.h. Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor Lohndumping oder Arbeitsplatzverlust und Schutz der ehrlichen Arbeitgeber vor Billigkonkurrenz aus dem Ausland. Außerdem stehen wir ein für Tariftreuegesetze, die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und die Eindämmung von Werkverträgen. Für all die Themen stehen die Parteien links der Mitte in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen

Ismail Ertug