Frage an Ismail Ertug von Carmen F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Ertug,
Ich habe gerade aus einer ernstzunehmenden Quelle erfahren, das EU-Abgeordnete von ihrer Fraktion vor den Abstimmungen eine Abstimmliste erhalten, die sie bei den Abstimmungen "abarbeiten". Wenn Abgeordnete mehrmals gegen die Fraktionsentscheidung stimmen würden, erhielten sie dadurch finanzielle oder auch persönliche oder politische Nachteile.
1. Gibt es eine solche Abstimmungsliste?
2. Welche Konsequenzen ergeben sich , falls der Abgeordnete nicht nach Fraktionsmeinung abstimmt.
3. Treffen sie ihre Abstimmungsentscheidungen nach persönlicher Recherche und intensiver Behandlung mit dem Thema, oder nach Listen, Empfehlungen etc?
4. Wer beantwortet die Anfragen an sie, sie selbst, persönliche Mitarbeiter, oder Fraktionsangestellte unter ihrem Namen?
5. Sind die Antworten, die sie geben Standartantworten der Fraktion, mittels Copy/Paste, oder aus eigener persönlicher Recherche und Überzeugung?
Ich bitte sie um eine ehrliche Antwort. Vielen Dank schon mal für ihre Mühen.
Mit freundlichen Grüßen
Carmen Fischer
Sehr geehrte Frau Fischer,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Abstimmungen und Stimmverhalten im EU-Parlament.
Jeder und jede Abgeordnete ist grundsätzlich nur seinem eigenen Gewissen unterworfen und kann nicht zu einem bestimmten Stimmverhalten gezwungen werden. Dass der Grundsatz des freien Mandats gerade im Europaparlament wesentlich stärker zur Geltung kommt als beispielsweise in nationalen oder Länderparlamenten, können Sie sehr leicht bei den Abstimmungsergebnissen sehen. Diese sind auf www.votewatch.eu für alle Bürger leicht einzusehen und Ihnen wird auffallen, wie oft quer durch Fraktionen und Gruppen abgestimmt wird. In Fraktions- und Gruppensitzungen werden regelmäßig die Positionen zu Gesetzesvorhaben diskutiert und abgestimmt. Abweichende Meinungen sind dabei aber auch normal und werden natürlich respektiert.
Für die unterschiedlichen politischen Bereiche gibt es in jeder Fraktion Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen, die für ihre Fraktion auch in den jeweiligen Ausschüssen sitzen. Diese sind naturgemäß besser mit allen Details ihres Fachgebietes vertraut als andere. Daher muss man sich in vielen Fällen als Nicht-Fachmann auch auf ihre Einschätzungen verlassen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht selbst kritisch hinterfrage und mich blind auf diese Einschätzungen und Empfehlungen verlasse. Bei der schieren Menge an politischen Entscheidungen ist es aber schlicht nicht möglich, bei allen Vorgängen als Nicht-Fachpolitiker alle Details zu kennen. Daher verlasse ich mich auf meine Kolleginnen und Kollegen, informiere mich aber auch selbst bestmöglich während der Beratungsprozesse und im Vorfeld von Abstimmungen.
Anfragen beantworte ich nach Möglichkeit selbst. Werden Anfragen von meinen Mitarbeitern beantwortet, dann werden sie auch entsprechend unterzeichnet. Oft gibt es zu einem Thema viele gleichlautende Anfragen, die dann auch gleichlautend beantwortet werden - das liegt in der Natur der Sache. Ich kann Ihnen aber versichern, dass jede Antwort, die ich auf Anfragen gebe, auch meine persönliche Meinung widerspiegelt.
Mit freundlichen Grüßen
Ismail Ertug
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