Frage an Ismail Ertug von Dana M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ertug,
Das dem EU-Parlament zur Abstimmung vorzulegende ACTA-Abkommen ist ungewöhnlich schwammig formuliert, und könnte bei entsprechender Auslegung zu einer umfassenden Internet-Überwachung und Zensur, sowie einer Umgehung von Gerichten bei strafrechtlichen Sanktionen gegen Privatpersonen führen.
Die unklaren Inhalte von ACTA sollen (erst nach der Unterzeichnung) durch die bisher geheim gehaltenen Verhandlungsprotokolle konkretisiert werden.
Kennen Sie den Inhalt dieser Verhandlungsprotokolle?
Wenn nein, würden Sie einem Vertrag zustimmen, dessen konkreter Inhalt Ihnen noch nicht zugänglich ist?
Wenn ja, werden Sie diese Verhandlungsprotokolle umgehend veröffentlichen, damit das Volk maßgebende Details über dieses Abkommen erfahren kann, das in seinem Namen beschlossen werden soll?
Über eine klare ("Ja" oder "Nein") Antwort würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank,
Dana Mirk
Sehr geehrte Frau Mirk,
vielen Dank für Ihre Frage zum ACTA-Abkommen. Die Notwendigkeit, geistiges Eigentum international zu schützen und Produktpiraterie zu bekämpfen ist unumstritten. Allerdings dürfen diesbezügliche Regelungen nach Position der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament nicht dazu führen, dass Grundrechte eingeschränkt werden oder der Datenschutz aufgeweicht wird. Offenheit und Transparenz müssen auch in solchen Verhandlungen gelten. Deswegen war das Bestreben einiger außereuropäischen ACTA-Verhandlungspartner auf Geheimhaltung der Verhandlungen skandalös.
Es wurden jedoch im Verlauf der Verhandlungen wichtige sozialdemokratische Forderungen im ACTA-Text aufgenommen. So wurde das Ansinnen der USA abgewehrt, Internetprovider dazu zu verpflichten, Internetangebote einzuschränken oder Internetnutzern den Netzzugang zu sperren. Außerdem wurden Patente vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen. Dadurch wurde verhindert, dass Generika pauschal mit Fälschungen gleichgestellt würden. Gleichzeitig bleibt ein preiswerter und lebenswichtiger Zugang zu Medikamenten, vor allem in Entwicklungsländern erhalten.
Zentral ist für uns, dass das ACTA-Abkommen bestehendes EU-Recht nicht verletzt oder darüber hinaus geht. Grundrechte und europäische Standards der Freizügigkeit und des Datenschutzes müssen auch in Zukunft unangetastet bleiben. Zudem muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert werden. Ebenso muss das geplante ACTA-Komitee, das mit der Durchführung des Abkommens beauftragt werden soll, transparent arbeiten und darf nicht ohne parlamentarische Kontrolle das Abkommen abändern dürfen. Nicht zuletzt darf es bei der Anwendung des Abkommens keinen Interpretationsspielraum geben, durch den diese geltenden Werte im Nachhinein unterlaufen werden könnten.
Wir Sozialdemokraten werden den Text des Abkommens nun unter diesen Voraussetzungen prüfen. Die offiziellen Beratungen werden im Europäischen Parlament voraussichtlich im Februar oder März beginnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ismail Ertug, MdEP