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Frage von Max L. •

Frage an Ismail Ertug von Max L. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Ertug,

Neuerdings wird unter der Wortführung des Herrn Juncker die Möglichkeit erwogen, nun auch deutsche Staatsanleihen in sog. Europa-Anleihen einzubringen, um die Schuldenstaaten der Eurozone zu finanzieren. Daß diese Anleihen das wichtigste Fundament der Betriebsrenten, der privaten Alterssicherung (von den Politikern den Bürgern jahrelang nahegelegt) und der Lebensversicherungen von ein paar Millionen deutscher Bürger bilden, kümmert die landfremden Oligarchen in Brüssel und Luxemburg wenig. Wird die SPD ihre Stimme erheben, falls solche Vorhaben wirklich realisiert werden sollen?

mit freunlichen Grüßen
Max Luber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Luber,

vielen Dank für Ihre Nachricht. die Sorge um Betriebsrenten und Alterssicherung teile ich. Gerade um das Geld von Anlegern zu sichern, müssen die Anleihemärkte stabilisiert werden. Gemeinsame europäische Anleihen sind erst seit Kurzem in der breiten Öffentlichkeit Thema, wurden aber bereits vorher diskutiert. Deshalb gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten, von denen der aktuell diskutierte Juncker-Plan nur eine ist. Gemeinsam ist allen Vorschlägen für Eurobonds das Prinzip, dass die Mitgliedstaaten entweder der Europäischen Union oder der Eurozone gemeinsame Staatsanleihen aufgeben. Als Garantien sollen entweder der reguläre EU-Haushalt oder wechselseitige Bürgschaften der Mitgliedstaaten dienen. Im Parlament diskutieren wir die Vor- und Nachteile gemeinsamer Anleihen schon seit Jahren. Wir sehen sie als ein mögliches Instrument, um den von Finanz- und Wirtschaftskrise sowie Misswirtschaft erschütterten Euro zu stabilisieren. Lassen Sie mich das erklären:

Der Juncker-Plan sieht die Schaffung einer Behörde vor, die den Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Schuldenlast abnimmt, und zwar alle Staatsschulden bis zu 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das darüber hinaus gehende Kapital sollen die EU-Mitgliedstaaten wie bisher individuell an den Märkten mit nationalen Staatsanleihen beschaffen. Für EU-Staatsanleihen wäre das Risiko vergleichsweise gering und deshalb der Zinsatz niedrig. Spekulanten würden auf diese Papiere nicht setzen, sie wären aber interessant für langfristige Investitionen, für die ein hohes Maß an Sicherheit ausschlaggebend ist. Und angesichts der Größe des Währungsraumes würden die Anleihen für ausländische Investoren attraktiv, attraktiver sogar noch als die deutschen Bundesanleihen. Eurobonds würden aber nicht nur neue Investitionen begünstigen, sondern auch "altes" Kapital, das aus beispielsweise Portugal, Spanien, Irland, Griechenland und Italien "geflohen" ist, zur Rückkehr bewegen. Die individuellen Anleihen der Mitgliedstaaten wären hingegen riskanter und würden deshalb höher verzinst. Dieses Zweistufenmodell wäre der Übergang zur - aus meiner sozialdemokratischen Sicht - längst notwendigen gemeinsamen Europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Sparunwillige Länder könnten im Rahmen der Eurobonds und durch die Europäische Kommission viel leichter Auflagen gemacht werden, weit besser als dies derzeit durch die Instrumente des Stabilitätspakts möglich ist. Dessen größtes Manko ist, dass die Finanzminister der Mitgliedstaaten über das Versenden Blauer Briefe und Verhängen echter Sanktionen entscheiden - was bisher kein Mitgliedsland in Hinblick auf seine eigenen Probleme tatsächlich unterstützt hat.

Stabilität, die die Eurobonds ermöglichen würden, ist notwendig, um weg zu kommen von der Politik der Getriebenen, bei der sich die Europäische Union nur von Krise zu Krise hangelt. Gerade für Deutschland ist die Stabilisierung des Euro von zentraler Bedeutung Wir sind als Exportland davon abhängig, wie kaufkräftig unsere Handelspartner sind und wie verlässlich der Wirtschaftstandort Europa als Ganzes ist. Damit von den positiven wirtschaftlichen Effekten nicht nur Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen profitieren, sondern auch die große Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger, setzen wir uns im Europäischen Parlament für Regulierungen ein: Drei Aufsichtsbehörden, die Banken, Versicherungen und Wertpapiermärkte kontrollieren werden, konnten wir durchsetzen. Für die Finanztransaktionsteuer kämpfen wir: Durch Spekulationen erzielte Gewinne müssen versteuert werden und so der allgemeinen Wohlfahrt zu Gute kommen.

Ich hoffe, meine Sicht verständlich dargelegt zu haben. Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß,

Ismail Ertug