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Ise Thomas
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Frage von Werner M. •

Frage an Ise Thomas von Werner M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Thomas,

nicht nur in der letzten Zeit erschrecken uns die Nachrichten, wenn Kinder Opfer von Vernachlässigungen werden und staatliche Stellen vorher zumindest die theoretische Möglichkeit der Intervention hatten.

Aus den unterschiedlichsten Richtungen wurde jetzt wiederholt die Forderungen laut, zum einen soziale Leistungen für Kinder mit einer Kontrollbefugnis für die zuständigen Behörden zu verknüpfen und zum anderen die zuständigen Behörden (z.B. Jugendamt) zu verpflichten, beim Verdacht einer Straftat zum Nachteil von Kindern den zuständigen Jugendrichter zu informieren.

Auch wenn damit nicht alle Mißbrauchs- und Vernachlässigungsfälle aufgedeckt werden können, halte ich eine solche Verfahrensweise für geeignet, eine Masse von Fällen aufzudecken und einer richterlichen Überprüfung zu unterziehen.

Mich würde interessieren, wie Sie zu diesen Maßnahmen stehen.

mfG

Werner Märkert

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Märkert,

ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, dass es sehr traurig ist, wieviele Kinder Opfer von Vernachlässigungen und sogar von Gewalt werden. Es ist sicherlich nicht ausreichend, den oft überforderten Eltern Vorwürfe zu machen sondern es ist notwendig, ihnen Hilfen anzubieten. Es gehört aber auch in einer demokratischen Gesellschaft, Nachbarschaftshilfe zu leisten und Zivilcourage zu zeigen. Zivilcourage im Sinne von Nachfragen, wenn man Gewalt wahrnimmt und die Behörden zu informieren - insbesondere das Jugendamt. Eine Möglichkeit sehe ich auch darin, die Untersuchungen von Kindern beim Kinderarzt verpflichtend auszugestalten. Ein sensibler Umgang mit dem Problem - auch im Sinne der Kinder- ist erforderlich. Aber nur durch Einschalten des Jugendamts besteht die Möglichkeit familien- bzw. elternunterstützend tätig zu werden.

Eine Verknüpfung von sozialen Leistungen mit einer Kontrollbefugnis von Behörden läuft m.E. für diese Kinder dann ins Leere, wo Erwachsene eine Entdeckung befürchten und deshalb lieber auf Leistungen verzichten. Es sollte auch nicht vom Geldbeutel abhängig gemacht werden, ob Kontrollen greifen oder sanktioniert werden. Es gibt übrigens auch Formen der Verwahrlosung, die äußerlich nicht erkennbar sind.
Das Jugendamt sollte immer prüfen, ob es erforderlich ist, in Fällen in denen körperliche oder psychische Gewalt festgestellt wird, dass der Jugendrichter informiert wird. Jedenfalls sollte das Jugendamt darauf hinwirken, dass ein Arzt oder eine Ärztin die Verletzungen feststellen und dolumentieren kann. Es sollten auch die Gründe dargelegt werden, warum von einer Unterrichtung des Jugendrichters abgesehen wird. Eine generelle Mitteilungspflicht könnte aber die Tätigkeit des Jugendamts erschweren, da Vertrauen unverzichtbar ist für eine konstruktive Familienarbeit. Es geht um die Lösung des Problems und um das Kindeswohl, da sind wir uns einig.

Die strafrechtliche Verfolgung muss unter Opfergesichtspunkten bedacht werden; eine Verurteilung nutzt den betroffenen Kindern nicht immer. Wichtig ist, dass in unserer Gesellschaft ein Bewusstsein für Kinderrechte aufgebaut wird. Kinderfreundlichkeit bedeutet auch, ungebeten Hilfe anzubieten bzw. sich im Falle von Gewalt einzumischen.

Mit freundlichen Grüßen

Ise Thomas