Isabel Mackensen-Geis
Isabel Mackensen-Geis
SPD
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Frage von Hans-Jürgen H. •

Frage an Isabel Mackensen-Geis von Hans-Jürgen H. bezüglich Verteidigung

Sehr geehrte Frau Makensen-Geis,
repräsentative Umfragen haben ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen den Abzug aller Atomwaffen aus unserem Land befürwortet. Mit dem Beitritt zu dem am 22. Januar 2021 in Kraft getretenen UN-Atomwaffenverbotsvertrag würde sich Deutschland zum Abzug aller noch in Büchel stationierten Kernwaffen verpflichten. Unverändert weigert sich aber die Bundesregierung diesem Vertrag beizutreten.
Würden Sie als mögliches Mitglied des deutschen Bundestags für einen Betritt zu dem Atomwaffenverbotsvertrag stimmen?
Zurzeit ist nicht einmal die Teilnahme von Deutschland als Beobachter an der Konferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag in Wien im Januar 2022 sicher. Wie sehen Sie das?
Als friedensbewegte Bürger interessiert uns natürlich Ihre Meinung zu diesen Fragen.
Für eine baldige Antwort wären wir Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichem Gruß
i. A. Hans-Jürgen Hemmerling
Friedensinitiative e.V. Neustadt/Weinstraße

Isabel Mackensen-Geis
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hemmerling,
vielen Dank für Ihre Anfrage über das Portal Abgeordnetenwatch.

Vorweg darf ich Ihnen mitteilen, dass ich Atomwaffen grundsätzlich ablehne und mir eine denuklearisierte Welt wünschen würde. Aber wie so oft sind die Wege zum Ziel nicht so leicht zu beschreiten.

Für mich und meine Partei, die SPD, gehört es zu den wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Zielen, die Verbreitung und den Einsatz von atomaren, biologischen und chemischen Waffen zu verhindern. In einem Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion vom 3. März 2020 mit dem Titel: "Für eine Welt ohne Atomwaffen" heißt es dazu: "Unser letztendliches Ziel ist dabei die vollständige weltweite Abrüstung der bestehenden Arsenale von Massenvernichtungswaffen".

Leider haben sich die internationalen Voraussetzungen für eine wirksame Abrüstungs-, Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungspolitik in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Seit der Überprüfungskonferenz zur Umsetzung des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (sog. "Atomwaffensperrvertrags") im Jahr 2010 sind kaum noch Fortschritte bei der Abrüstung und Rüstungskontrolle zu erkennen. Die im Vertrag vereinbarten ernsthaften Verhandlungen und Initiativen der Nuklearwaffenstaaten für eine nachweisliche Reduzierung ihrer Arsenale und eine Rückführung der Bedeutung von Kernwaffen stecken fest oder sind politisch nicht gewollt. Der Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag würde hier vorrangig nichts ändern.

Ein weiterer Grund, weswegen die Bundesregierung dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beigetreten ist, ist die Mitgliedschaft im NATO-Bündnis. Ein Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag wäre nicht mit unseren bündnispolitischen Verpflichtungen innerhalb der NATO vereinbar. Die NATO garantiert aber unsere Sicherheit und die unserer europäischen Partner. Dies dürfen wir nicht aufs Spiel setzen, obgleich wir die grundsätzlichen Ziele des Atomwaffenverbotsvertrag mittragen und diesen ausdrücklich würdigen. Deutschland steht zum Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt und fordert dafür konkrete Abrüstungsschritte der Atommächte ein.

Ebenso muss ich aber zu bedenken geben, dass in Zeiten, in denen Kernwaffen wieder mehr an Bedeutung in den militärischen Überlegungen der atomaren Supermächte gewinnen und Rüstungswettläufe zu befürchten sind, kein einziger Nuklearwaffenstaat dem Atomwaffenverbotsvertrag beigetreten ist und ihm vermutlich auch niemals beitreten wird, denn dies würde einen Prozess der eigenen vollständigen Denuklearisierung einleiten. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich ein Nuklearwaffenstaat einer solchen einseitigen Verpflichtung unterwerfen wird.

Um eine weltweite Abrüstung zu erreichen, müssen andere Wege beschritten werden. Deutschland kann zwischen den Nuklearwaffenstaaten und der großen Anzahl der Staaten, die sich für eine vollständige Abrüstung einsetzen, eine Brückenfunktion einnehmen. Dies müssen wir abgestimmt mit den europäischen Partnern tun, die aufgrund ihrer NATO-Mitgliedschaft oder wegen inhaltlicher Vorbehalte den Atomwaffenverbotsvertrag ebenfalls nicht ratifiziert haben. Damit senden wir ein klares Signal aus, dass wir das Ziel der Denuklearisierung dieser Welt uneingeschränkt unterstützen, ohne unsere Bündnisverpflichtungen in Frage zu stellen. Zugleich könnte dieser Schritt auch eine Ermutigung für andere Partner in der Welt sein, es uns gleich zu tun und damit ein Zeichen für weltweite nukleare Abrüstung zu setzen. Es muss darum gehen, die Bedeutung von Nuklearwaffen im sicherheitspolitischen Denken zu verringern und Eskalationsrisiken zu minimieren. Das erfordert ganz konkrete Schritte: maximale Transparenz in den nuklearen Arsenalen, verantwortungsvolle und restriktive Nukleardoktrinen sowie einen Dialog zwischen den Nuklearwaffenstaaten, um Fehlwahrnehmungen abzubauen und die Basis für neue rüstungskontrollpolitische Ansätze zu schaffen.

Aus unserer Sicht müssen die Bemühungen um nukleare Abrüstung in erster Linie im Rahmen der Vereinten Nationen weiterverfolgt werden. Fünfzig Jahre nach Inkrafttreten des Atomwaffensperrvertrages, der unter anderem die Verbreitung von Kernwaffen verbietet, sollten sich die Vertragsstaaten auf eine neue Agenda für Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen einigen. Daher unterstütze ich ausdrücklich die entsprechenden Bemühungen von Außenminister Heiko Maas im Rahmen der sogenannten „Stockholm-Initiative“, die 2019 initiiert wurde und welcher sich kürzlich unter anderem auch Japan, Kanada und Argentinien angeschlossen haben.

Im Hinblick auf konkrete Abrüstungsschritte macht auch das kürzliche Treffen von Biden und Putin Hoffnung. Die beiden weltweit größten Atommächte verständigten sich auf Gespräche über Rüstungskontrolle und auf eine Verlängerung des atomaren Abrüstungsvertrags New Start.
Unabhängig von diesen Entwicklungen sollte die Diskussion über einen möglichen Beitritt Deutschlands als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrag offen geführt werden, denn dieser Beobachterstatus würde Deutschlands Haltung gegenüber Atomwaffen deutlich machen ohne die Bündnisverpflichtungen innerhalb der NATO zu verletzen.
Einem solchen Beobachterstatus stehe ich offen entgegen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Überlegungen nachvollziehbar darlegen. Sollten Sie Rückfragen haben, dürfen Sie sich auch jederzeit gerne an mich direkt wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Isabel Mackensen-Geis

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