Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Claudia L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Schewe-Gerigk,
in einem Interview mit dem Spiegel-Online äußerten Sie einmal:
"Die immergleichen Horrorstories über die Auswirkungen des Gesetzes, die uns Alice Schwarzer erzählt, finde ich fast schon peinlich. Egal ob freiwillig oder nicht: Frauen (und Männer) gehen dieser Tätigkeit nach. Es gibt eine große Nachfrage nach Prostitution. Sie ist Realität." So ist das nun mal. Wer will die Welt schon noch verändern? Grüne jedenfalls nicht. Im Gegenteil.
Haben Sie Ihre Meinung in der Zwischenzeit geändert oder stehen Sie noch dazu? Und ist es Ihnen wirklich egal, ob sich Frauen freiwillig oder nicht freiwillig prostituieren?
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Lux
Sehr geehrte Claudia Lux,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Prostitution.
Aus meiner Sicht besteht ein großer Unterschied zwischen freiwilliger und Zwangsprostitution. Letzteres muss strafrechtlich verfolgt werden. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, z.B. in unserem Antrag "Menschenhandel bekämpfen – Opferrechte weiter ausbauen". Sie finden ihn unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/011/1601125.pdf . Die Unterstützung der Opfer dient auch der strafrechtlichen Verfolgung der Täter. Denn ohne deren Aussagebereitschaft ist eine erfolgreiche Bekämpfung des Menschenhandels unmöglich. Jede Hilfe für Frauen, sich diesem riskanten und anstrengenden Prozess auszusetzen, ist ein Beitrag zur Verfolgung der Täter. Wir wollen den Opfern eine Bedenkzeit von bis zu sechs Monaten einräumen, um zu entscheiden, ob sie mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten wollen. Oftmals sind sie traumatisiert und brauchen Zeit, um von dem Erlebten Abstand zu gewinnen. Wenn sie sich für eine Zeugenaussage entscheiden, müssen sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Nur so lässt sich durch Arbeit und Bildung eine neue Perspektive aufbauen. In Härtefällen ist den Opfern auch über das Strafverfahren hinaus ein Aufenthaltsrecht zu erteilen. Die Beratungsstellen müssen finanziell gestärkt werden, ihre MitarbeiterInnen brauchen ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Zum Prostitutionsgesetz: Darin wird die freiwillige Prostitution geregelt und dieser eine Sonderstellung gegenüber anderen Berufen eingeräumt. So dürfen zum Beispiel die Bestimmungen in Arbeitsverträgen für die Prostituierten über Zeit und Ort der Tätigkeit nicht hinausgehen, auch eine Kündigungsfrist für die Prostituierte darf es nicht geben. Die Freier können aus dem Vertrag keine Ansprüche auf sexuelle Leistungen gegenüber den Prostituierten herleiten. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz schützt die Prostituierten, nicht aber die Freier oder die Bordellbetreiber. Dafür wurde bewusst der Weg eines einseitig verpflichtenden Arbeitsvertrags gewählt.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen meine Position deutlich gemacht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk