Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Michael R. bezüglich Umwelt
Hallo Frau Schewe-Gerigk,
als Vorstandsmitglied des Herdecker CarSharing-Vereines "Statt-Auto Herdecke Verein für Anderes MObilSein e.V." bin ich erschüttert über die Regularien der sog. Abwrackprämie im Rahmen des 2. Konjunkturpaketes der Bundesregierung.
Wieso wird einseitig der Kauf und das Leasing neuer Fahrzeuge gefördert ohne jegliche Rücksicht auf deren Klima-Auswirkungen?
Wo bleiben Förderungen für Personen, die Ihr Auto verschrotten lassen und sich eine BahnCard oder eine Jahreskarte für den öff. Nahverkehr kaufen oder sich bei einem CarSharing-Anbieter anmelden? Hiermit werden auch Arbeitsplätze geschaffen und das in absolut zukunftsfähigen Branchen, die noch dazu klimafreundlich sind.
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Michael Ronnefeldt,
auch wir sehen die Maßnahmen für den Automobilsektor im Konjunkturpaket sehr kritisch, denn sie bringen für den Klimaschutz auf der Straße gar nichts: Der Koalition gilt jedes neu gekaufte Auto als gutes Auto, egal ob Spritschlucker oder sparsamer Pkw. Sie fördert mit vielen Milliarden Fahrzeuge mit geltenden Abgasnormen.
Es wäre umwelt- und klimapolitisch wie auch wirtschaftspolitisch vielmehr angebracht klimafreundliche und innovative Fahrzeuge zu fördern, damit sich der beste Stand der Technik bald durchsetzt. Was die Koalition jetzt auf den Weg bringt, nützt vor allem den Autohändlern und ist ein Geschenk für die Produzenten falscher Automodelle. Immerhin 1,5 Mrd. Euro Steuermittel werden an ein wohl eher kaufkräftiges Klientel verschwendet. Vor allem die Kanzlerin versteht es, sich öffentlich als Klimaschützerin darzustellen, doch in ihrem politischen Tun bewahrt sie die Automobilbranche stets vor dem Klimaschutz. Das Etikett Umweltprämie für die Verschrottungsprämie ist ein Hohn, denn es werden insgesamt Klimakiller-Kfz sogar stärker gefördert als sparsame, kleine Autos. Neuwagenkäufer und Käufer von neuen Gebrauchtwagen sollen der Koalition zufolge 2.500 Euro erhalten, wenn sie ihr mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten (Stichtag 14.1.09, Ende 31.12.2009). Es muss jedoch ein seit einem Jahr auf den Betreffenden zugelassener Wagen mit entsprechendem Alter vorhanden sein. Es wird dabei keine CO2-Begrenzung geben, auch die größten Spritschlucker können bezuschusst werden. Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller prognostizierte einen Anteil von 39 %, das sind 1,17 Mio. Pkw mit Privatzulassungen, der geschätzten rund 3 Mio. zugelassenen Fahrzeugen in 2009. Die bereitgestellten Mittel reichen rechnerisch für ca. 600.000. Die Federführung liegt beim Bundeswirtschaftsministerium, die Abwicklung soll über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erfolgen.
Profitieren werden von dieser Maßnahme Importeure und Händler mit vergleichsweise günstigen Neuwagen, so wunderte es nicht, dass die Verschrottungsprämie immer schon eine Forderung des Verbands der Importeure war. Die Förderung von Neuwagen jeglicher Bauart und mit CO2-Ausstößen bis zu 300 g/km und mehr halten wir für absurd. Am besten würde man ganz auf dieses Instrument verzichten. Eine ökologisch motivierte Reform der Kfz-Steuer auf CO2-Basis, wie wir sie vorschlagen, würde vollkommen ausreichen, um Anreize für den Kauf spritsparender Neuwagen zu setzen.
Die Abwrackprämie wird zu recht von allen Seiten auch aus der Wirtschaft selbst kritisiert, weil jede klimapolitische Lenkungswirkung fehlt. Inzwischen gibt es Vorschläge aus den Ländern und vom Präsidenten des Umweltbundesamtes Prof. Troge, die Prämie wenigstens an CO2-Emissionen zu binden. Troge plädiert dafür als ökologische Komponente für die Prämie einen CO2-Grenzwert von 140 g/km einzuziehen und nur Fahrzeuge zu fördern, welche die ab September geltende Euro-5-Abgasnorm erfüllen.
Statt klimapolitisch blind Gelder auszugeben, sollte die Koalition solche Vorschläge ernsthaft aufgreifen. Wir finden es angemessen auch Jenen eine Prämie (z.B. Jahresnetzkarte) zu zahlen, die ihr Auto verschrotten, auf Carsharing, das Fahrrad oder den ÖPNV umsteigen.
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk