Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von andrea b. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schewe-Gerigk,
bei der Abstimmung zum sogenannten „Zugangserschwerungsgesetz“ bzgl. Kinderpornographie im Internet haben Sie sich der Stimme enthalten.
Die diesbezügliche Persönliche Erklärung nach §31 GOBT der 15 Grünen Abgeordneten dazu ist mir bereits bekannt, beantwortet aber nicht mein grundsätzliches Problem mit Ihrem Verhalten, das da lautet:
Wann ist ein Thema dringlich genug, um mit einem klaren NEIN beantwortet zu werden?
Ihr Engagement bzgl. KiPo ist mehr als löblich, aber das verabschiedete Gesetz beendet die grundgesetzlich verbürgte Gewaltenteilung und öffnet der Zensur Tür und Tor. Hingegen wurde von mehreren kompetenten Seiten wiederholt verdeutlicht, dass das Z.-Gesetz nicht nur kein einziges Kind schützt sondern im Gegenteil die Täter/Seitenbetreiber warnt. Alle Bedenken, die Sie in der Persönlichen Erklärung formulieren, sind durch Expertenaussagen mehrfach widerlegt.
Sie lassen nun also ein Gesetz passieren, dass keinerlei Nutzen bringt, im Gegenzug aber die Rechte eines jeden Internetnutzers empfindlich einschränkt und ihn potentiell kriminalisiert. Mit Ihrer Ein-Punkt-ansonsten-egal-Position der Enthaltung nehmen Sie solche Kollateralschäden billigend in Kauf.
Darum noch einmal meine - generelle -Frage zur Urteilsfindung:
Wie dramatisch muß sich ein Szenario darstellen, damit Sie bei einer Güterabwägung wirklich klar Stellung beziehen und deutlich mit NEIN abstimmen?
Abstimmungsverhalten beim Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie
in Kommunikationsstrukturen
Sehr geehrte Andrea Baranski,
die Enthaltung von 15 Grünen Abgeordneten zu dem oben genanntem Gesetz hat in den vergangenen Tagen für viel Aufruhr gesorgt. Das Gesetzesvorhaben bewegte sich von Anfang an in einem nicht aufzulösenden Spannungsverhältnis zwischen Schutz- und Freiheitsrechten.
Kinderpornografie ist eine der widerlichsten Formen von Kriminalität. Die Herstellung und Verbreitung von Bildern und Filmen über Vergewaltigung und anderen schwersten Missbrauch von Kindern sowie der Besitz solchen Materials sind zu Recht strafbar. Kindern gebührt jeder Schutz den eine Gesellschaft bieten kann. Über das Internet hat die Verbreitung kinderpornographischen Materials enorm zugenommen. Die Möglichkeiten hier gesetzgeberisch einzuschreiten konnte mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten.
Nicht nur innerhalb der Gesellschaft auch innerhalb unserer Partei wurde das Gesetz kontrovers diskutiert. Wir haben uns intensiv mit den Argumenten der KritikerInnen des Gesetzes auseinandergesetzt. Auch wir sind dagegen, dass das beschlossene Gesetz zu einem Einfallstor für politische Zensur im Internet werden könnte. Es ist unser aller Anliegen, dass ein unabhängiges Gremium das Inkrafttreten des Gesetzes begleitet um angrenzende BürgerInnenrechte zu schützen. Aber: Kinderpornographie ist online ebenso eine Straftat wie offline. Daher findet die Freiheit des Einzelnen immer da ihre Begrenzung, wo es um die Freiheit des Anderen oder um den Schutz der Allgemeinheit geht.
Das Gesetz hat Defizite in der Schlagkraft und Wirksamkeit, daher haben wir dem Gesetz auch nicht zugestimmt, sondern haben uns enthalten. Wir teilen jedoch nicht die Einschätzung völliger Wirkungslosigkeit. Es geht hier nicht um die teilweise von KritikerInnen des Gesetzes aufgebaute Alternative zwischen Löschen oder Sperren. Es geht darum dann zu sperren, wenn Löschen nicht greift - also Löschen vor Sperren. Die Einschätzung, dass die vom Internet-Zugangs-Anbieter errichteten Hürden mit geringem technischen Aufwand zu umgehen sind und die Anbieter mit einer Verlagerung ihrer Angebote reagieren, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich an Zugriffsleichtigkeit und Zugriffszahlen nichts ändert. Genau das wird nach zwei Jahren evaluiert.
Selbstverständlich sind mit gesetzlichen Regelungen im Internet auch nicht die Handlungsmöglichkeiten im Kampf gegen Kinderpornographie ausgeschöpft. Unerlässlich und von uns gefordert ist die bessere Ausstattung aller zuständigen Behörden mit Personal und Sachmitteln. Das Gesetz ist kein Instrument zur Verhinderung von Kinderpornographie, es ist ein Baustein im Kampf dagegen. Kinderpornographie fügt den betroffenen Kindern schwerste Verletzungen zu und traumatisiert sie oftmals fürs Leben. Das dürfen wir nicht zulassen! Im Inland wollen wir den Nationalen Aktionsplan „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung“ mit dem Schwerpunkt der Aufdeckung und Vermeidung von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung, Identifizierung der Opfer, deren Schutz und Rehabilitation, mit aller Kraft fortführen und weiterentwickeln.
Wir treten zudem dafür ein, dass die Bundesregierung an Staaten, in denen bekanntermaßen viele der Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten bereitgestellt werden, die Forderung nach konsequenter Ächtung solcher Websites und Verfolgung der Verantwortlichen richtet und die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden im Ausland weiter intensiviert.
Die Debatte über das Gesetz ist an dieser Stelle nicht beendet. Wir setzen uns für Einberufung eines runden Tisches ein, an dem neben den politischen VerterInnen auch die Kinderschutzorganisationen sowie Vertreterinnen der Internetszene beteiligt werden sollen. Wir sind uns sicher, dass unsere Anliegen und Argumente im Kern übereinstimmen und wir gemeinsam effektive Lösungen finden können.
Mit besten Grüßen,
Irmingard Schewe-Gerigk