Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Vanessa M. bezüglich Frauen
Warum werden die Freier von Zwangsprostituierten nicht bestraft?
Was wollen Sie und die GRÜNEN dagegen machen?
Sehr geehrte Frau Müller,
im Jahr 2004 hat die rot-grüne Bundesregierung eine umfassende Reform der Menschenhandelstatbestände im Strafgesetzbuch vorgenommen. Wir haben den strafrechtlichen Schutz der Opfer verbessert, die Strafverfolgung erleichtert, das Strafmaß verschärft und die Tatbestände um Zwangsarbeit, Heiratshandel und Zwangsheirat erweitert. Erst im Anschluss an diese drängende „Mammut-Aufgabe“ konnten wir uns der aus juristischer und praktischer Sicht sehr komplexen Frage zuwenden, ob und wenn ja wie, Freier unter Strafe gestellt werden sollten, die die Zwangssituation von Menschenhandelsopfern vorsätzlich ausnutzen. Klar ist für uns, dass ihr Verhalten in jedem Falle strafwürdig ist. Bei einer Fachanhörung, die ich im vergangenen April im Namen meiner Fraktion im Deutschen Bundestag mit JuristInnen und Fachleuten von Beratungsstellen und Polizei dazu veranstaltet habe, befürworteten auch die meisten ExpertInnen einen solchen Straftatbestand. Zwar wird nicht davon ausgegangen, dass viele Freier wirklich bestraft werden könnten. Ihnen würde aber mit einer entsprechenden Strafnorm signalisiert, dass dieses menschenverachtende Verhalten vom Staat nicht toleriert wird. Grundsätzlich können wir uns eine Gesetzesänderung daher durchaus vorstellen. Es zeigte sich auf der Anhörung aber auch, dass vorher noch einige offene Fragen geklärt werden müssen.
So werden von den Fachleuten auch Gefahren für die Prostituierten gesehen: Das Beispiel Schweden, das Freier generell unter Strafe gestellt hat, zeigt, dass die Folge eine Verlagerung der Prostitution in private Wohnungen ist. Prostituierte geraten so stärker in die Abhängigkeit von Zuhältern und die Szene wird für die Strafverfolgungsbehörden wie für Beratungs- und Schutzangebote schwerer zugänglich. Auch wenn wir nur einen Straftatbestand für bestimmte Freier schaffen: Es besteht die Gefahr, dass es hier zu ähnlichen Entwicklungen kommt. Weitgehend ausgeschlossen wäre mit dem Straftatbestand auch, dass Freier Fälle von Zwangsprostitution selbst zur Anzeige bringen.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass der Nachweis, dass ein Freier vorsätzlich die Hilflosigkeit eines Opfers von Menschenhandel ausgenutzt hat, schwer zu erbringen ist. Unter anderem auch deshalb, weil selbst unter Fachleuten umstritten ist, ob die Freier die Zwangssituation von Prostituierten erkennen können. Und dann gilt es auch noch, juristische Probleme zu lösen: Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls müssen nämlich heute schon Freier von Zwangsprostituierten mit Strafverfolgung rechnen. Diese Fragen gilt es erst einmal zu klären. Einem Straftatbestand, der den Opfern auch wirklich nützt, werden wir uns dann nicht verschließen.
Irmingard Schewe-Gerigk MdB