Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Rolf W. bezüglich Recht
Sehr geehrte Fr. Schewe-Gerigk,
Bei den Grünen gab es mal das Rotationsprinzip. Wann und mit welchen Argumenten wurde es abgeschaft?
Wie stehen Sie zum Rotationsprinzip?
Mit sonnigen Grüßen
Rolf Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
Das Rotationsprinzip wurde vor allem in der ersten Wahlperiode der Grünen im Bundestag (1983-1987) angewandt. Geregelt war diese Praxis aber nie bundeseinheitlich, sondern innerhalb der Landesverbände. Von daher war die Praxis immer sehr unterschiedlich. Zu Anfang "routierten" die Abgeordneten in der Mitte der Wahlperiode. Die sog."NachrückerInnen" hatten bis dahin den Status von wissenschalftlichen MitarbeiterInnen. In der nachfolgenden 11. Wahlperiode routierten nur noch Abgeordnete einiger Landesverbände wie Berlin und Hamburg schon nach zwei Jahren in der Mitte der Wahlperiode.
Nach und nach wurde es üblich, auch nach einer vollen Wahlperiode wieder zur Wahl auf der Landesliste antreten zu können. Allerdings gibt es bis heute Satzungsregelungen, die auch "Neuen" Gelegenheit geben sollen, sich erfolgreich um ein Mandat zu bewerben. Einige Landesverbände haben Regelungen, wonach beispielsweise jeder dritte Platz an "Neue" zu vergeben ist. Bei anderen wiederum legt die Satzung fest, dass Abgeordnete, die nach zwei Wahlperioden wieder antreten wollen, für die Kandidatur eine gesonderte Zustimmung von Zwei Dritteln der Parteitagsdelegierten bennötigen.
Ein Problem einer zu schnellen Rotation ist der Umstand, dass die vom Parlament zu kontrollierende Bürokratie gar nicht daran denkt, ähnlich zu verfahren. So wechseln die Abgeordneten, während sich das Herrschaftswissen in den Ministerien mehr und mehr verfestigt. Jeder Wechsel im Mandat ist immer auch mit einem Bruch verbunden. NachfolgerInnen müssen sich erst einarbeiten, die Geschäftsordnung lernen und Kontakte aufbauen. Von daher haben sich die sehr strengene Regelungen der Partei in der Anfangsphase der parlamentarischen Arbeit so nicht bewährt.
Dennoch ist es richtig, immer wieder neuen Leuten Gelegenheit zu geben, Mandate zu bekommen. In der letzten Wahlperiode war über die Hälfte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen neu. Dies zeigt, wie lebendig die Partei ist.
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk