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Irmingard Schewe-Gerigk
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Frage von Arndt M. •

Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Arndt M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Schewe-Gerigk,

in der Pflegeversicherung ist ein Zuschlag für Singles eingeführt worden.
Diese Maßnahme wurde mit einem Urteil des Bundesverfassungssgerichtes begründet.
Ich, aus Singlesicht, finde die Umsetzung des Verfassunggerichtsurteiles aus bestimmten Gründen völlig mißlungen:
-- Eltern werden nicht nur während der Erziehungszeit, sondern Ihr ganzes Leben
bevorzugt.
-- Eltern, die relativ früh ein Kind geboren haben, werden länger bevorzugt, als jene, die
später Kinder bekommen haben.
-- Alle vor dem 1.1. 1940 geborenen wurden ausgenommen
-- Von einem einzigen Kind können theoretisch sehr viele Personen profitieren: Leibliche/r Vater/Mutter, Pflegevater/Mutter, Adoptivvater/Mutter u.s.w.
-- Pflegeeltern, die Geld für ihre Tätigkeit bekommen, profitieren auch.
-- Auch werden Kinder berücksichtigt, die nur wenige Minuten gelebt haben, im Gegensatz zu Totgeburten.

Wie werden sie diese Thema angehen, sollten Sie gewählt werden?

Mit freundlichen Grüßen

Arndt Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Der von Ihnen angesprochene Beitragszuschlag wurde im Rahmen des „Kinder-Berücksichtigungs-Gesetzes“ (KiBG) beschlossen. Hintergrund des KiBG ist ein äußerst umstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2001. Laut diesem Urteil müssen Erziehende beim Beitrag zur Pflegeversicherung während der Erziehungszeit gegenüber Nicht-Erziehenden relativ entlastet werden. Dieses Urteil musste vom Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2005 umgesetzt werden. Ansonsten hätten keine Beiträge mehr für die Pflegeversicherung erhoben werden dürfen.

Im Jahr 2004 verabschiedete deshalb die Rot-Grüne Koalition das KiBG, das im Sinne des Urteils des BVerfG vorsieht, Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr mit einem um 0,25% höheren Beitrag zur Pflegeversicherung zu belasten. Damit werden Versicherte mit Kindern in der Sozialen Pflegeversicherung beitragsmäßig besser gestellt. Die genannte Altersuntergrenze von 23 Jahren lehnt sich ans einschlägige Sozialrecht zur Familienmitversicherung an.

Um es zu verdeutlichen: Unter „kinderlos“ werden nach diesem Gesetz diejenigen verstanden, die weder in der Vergangenheit Kinder erzogen haben noch es gegenwärtig tun. Dies betrifft im Übrigen, wie Sie vermuten, nicht nur „Singles“, sondern gleichermaßen auch kinderlose Ehepaare oder Lebensgemeinschaften. Sobald jemand Kinder bekommt, wird sie/er wieder den üblichen, geringeren Beitragssatz zahlen.

Es galt sowohl die generative als auch die Erziehungs-Leistung zu berücksichtigen, weswegen eine bewusst sehr weite Definition der Elterneigenschaft angelegt wurde. Daher ist der erhöhte Beitrag nicht von Adoptiv-, Stief- oder Pflegeeltern zu bezahlen. Auch Eltern, deren Kind nicht mehr lebt, gelten nicht als kinderlos.

Die Gründe, warum jemand keine Kinder hat, /können/ für die Zuschlagspflicht keine Rolle spielen. Denn es geht ausschließlich darum, von den beitragspflichtigen Versicherten, die keine Erziehungsleistungen erbringen, einen Ausgleich einzufordern. Eine Differenzierung, warum jemand keine Kinder hat, kann es aus den oben dargestellten Zusammenhängen nicht geben. Eine solche Differenzierung wäre in der Praxis zudem nicht umsetzbar, denn es müssten objektive bürokratische Kriterien entwickelt werden, bei deren Erfüllung kein Zuschlag zu zahlen wäre.

Selbstverständlich kann man sich über die im KiBG angelegten Kriterien auseinandersetzen, wie Sie es ja tun. Auch wir GRÜNE bereits im parlamentarischen Beratungsprozess zum Ausdruck gebracht, dass uns das KiBG durchaus auch Bauchschmerzen bereitet. Zum einen hat das BVerfG in seiner Entscheidung eine Entlastung für Erziehende während der Erziehungszeit gefordert. Da das KiBG sich daran orientiert, ob jemand ein Kind hat oder nicht, wird die Erziehungszeit somit nicht berücksichtigt. Wir hatten daher in der Vergangenheit dafür plädiert, die relative Entlastung für Erziehende auf den Zeitraum zu beschränken, in dem die Eltern Kindergeld beziehen sowie diesen Zeitraum für jedes weitere Kind jeweils etwas zu verlängern. Wir konnten uns mit diesem Vorschlag aber nicht durchsetzen. Auch bei dieser Lösung wären letztlich ebenfalls Kinderlose höher belastet worden. Insgesamt muss eingeräumt werden, dass sich die Umsetzung des Urteils in allen denkbaren Formen sehr schwierig gestalten hätte und immer mit Vor- und Nachteilen behaftet gewesen wäre.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit die Schwierigkeiten der Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils ein wenig näher bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Irmingard Schewe-Gerig