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Irmingard Schewe-Gerigk
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Frage von Bettina W. •

Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Bettina W. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Schewe-Gerigk,

in der Notwendigungkeit der Gleichbehandlung aller Mütter stimme ich Ihnen ausdrücklich zu.
Gestatten Sie mir eine Nachfrage:
Auf den ersten Blick klingt es sehr gut, den Kindern jeweils den ersten Rang einzuräumen und zunächst deren Unterhalt zu berechnen und auszugleichen.
Da jedoch mehr als 40 % sog. Mangelfälle sind, bei denen der Bedarf der Berechtigten nur zum Teil und nach derzeitiger Rechtsprechung in Form einer Quote gedeckt werden kann, dürfte dies dazu führen, dass künftig viele betreuende Ehegatten oder Eltern nichtehelich geborener Kinder leer ausgehen werden. Dies hat steuerrechtliche Folgen, durch welche die Verteilungsmasse an sich reduziert wird.
Nachdem über die Anlage U Ehegattenunterhalt vom Verpflichteten steuerlich als absetzbare Ausgabe bis rund 14.000 € geltend gemacht werden kann, wird dadurch das für den Unterhalt zur Verfügung stehende Nettoeinkommen für alle Berechtigten erhöht. Diese Begünstigung fällt bei einem Vorrang des Kindesunterhalts im Mangelunterhalt dann weg, wenn die Kinder bereits die Verteilungsmasse vollständig für sich in Anspruch nehmen. Einzige positive Wirkung hiervon ist, dass der Staat seine Steuereinkünfte erhöht. Doch in diesem Fall geschieht dies auf Kosten derer, bei denen ohnehin nur wenig Verteilungsmasse vorhanden ist. Wäre es dann nicht eine logische Konsequenz anstelle des Ehegattenunterhalts oder neben diesem eine Absetzbarkeit des Kindesunterhalts steuerlich vorzusehen? Die Armut wird durch die vorgesehene Variante durch eine Reduzierung der Verteilungsmasse erhöht.

Mit freundlichem Gruß

Bettina Wohl
Rechtsanwaltskanzlei

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Wohl,

meine Kollegin Christine Scheel hat am 23.05.2007 die Bundesregierung in der Fragestunde danach gefragt, wie hoch sie die erwarteten Steuermehreinnahmen pro Jahr in Folge der geplanten Unterhaltsrechtsreform veranschlagt, weil die Unterhaltszahlungen an Kinder im Gegensatz zu Unterhaltszahlungen an Ehegatten nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes als Sonderausgabenabzug steuerlich begünstigt sind.

Die Antwort der Bundesregierung lautete: "Eine Bezifferung eventueller Steuermehreinnahmen ist mangels hinreichender Daten derzeit nicht möglich." Auch eine weitere Frage nach den von Ihnen erwähnten sog. "Mangelfällen" brachte nur eine sehr unbefriedigende Antwort der Bundesregierung: "Ziel der Unterhaltsrechtsreform ist es, den Unterhalt minderjähriger Kinder nachhaltig zu sichern. Der Vorrang der Kinder kann dazu führen, dass für nachrangig Berechtigte weniger Unterhalt zur Verfügung steht, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht ausreicht, um alle Unterhaltsansprüche zu befriedigen (sog. Mangelfälle). Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass die Möglichkeit, Unterhaltszahlungen an den früheren Ehegatten im Wege des begrenzten Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes steuerlich geltend zu machen, etwas geringer ausfällt. Diese steuerlichen Folgen treten jedoch bei denjenigen Steuerpflichtigen nicht ein, die das Realsplitting nicht oder nicht in vollem Umfang ausschöpfen können, so dass auch ohne höhere abzusetzende Unterhaltsleistungen an den früheren Ehegatten keine Einkommensteuer anfällt. Dies ist der Fall, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte sowohl vor als auch nach der Unterhaltsrechtsreform geringer ist als die Unterhaltsverpflichtung bzw. null Euro beträgt oder sogar negativ ist. Diese Situation dürfte nach der Lebenserfahrung gerade in Mangelfällen vermehr vorkommen."

Soweit zitiert aus der Antwort der Bundesregierung. Es ist offensichtlich, dass die nachteiligen Wirkungen für die Berechnung des Anspruchs der Unterhaltsgemeinschaften erst durch Nachfragen im Parlament transparent wurden. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, eine Lösung für die Schlechterstellung der Unterhaltsgemeinschaften insbesondere in Mangelfällen vorzulegen. Sie hat dies bis heute nicht getan, weil sie die Kinderfreibeträge als ausreichend erachtet, um das steuerliche Existenzminimum von Kindern zu gewährleisten. Da die Unterhaltsrechtsreform nun noch einmal teilweise neu verhandelt wird, wäre eine Lobbyarbeit von Ihnen und Ihren KollegInnen zu diesem Aspekt bei der Bundesregierung sicherlich einen Versuch wert.

Mit freundlichen Grüßen

Irmingard Schewe-Gerigk