Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Lisa S. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Irmingard Schewe-Gerig.
Ich bin eine schwangere Frau und derzeit unverheiratet. Ich wohne bei meinem Freund und der will jetzt das gemeinsame Sorgerecht, was ich ihm nicht geben will und auch nicht geben werde. Dafür möchte ich mich bei ihnen erstmal bedanken, mir diese Wahlmöglichkeit gelassen zu haben, den Vater jederzeit ausschließen zu können, wenn ich möchte.
Nun habe ich aber ein Problem. Ich möchte gerne, daß mein Freund die Elternzeit nimmt - das geht aber nur, wenn er auch das Sorgerecht besitzt, die Vaterschaftsanerkennung reicht da alleine nicht aus. Wäre toll, wenn das politisch nicht an das Sorgerecht gekoppelt wäre, sondern an die Vaterschaftsanerkennung - dann kann ich alle Rechte behalten und dem Kindesvater mehr Pflichten auferlegen. Was ich übrigens toll finde an ihrer Politik, ist: selbst wenn mein Freund später die Elternzeit annimmt, wird sie vom Staat proforma bei mir bei den Rentenansprüchen berücksichtigt. Ohne meine schriftliche Zustimmung kann man Freund das nicht geltend machen. Auch dafür möchte ich ihnen danken, denn schließlich werde ich ja das Kind unter Schmerzen zur Welt bringen, da kann mein Freund auch 2 oder 3 Jahre Elternzeit nehmen, ohne dafür bevorteilt zu werden.
Zuguterletzt: Ich bin mir nicht ganz sicher ob er der Vater ist. Es kommen eigentlich 2 Väter in Frage. Werden Sie sich weiterhin dafür einsetzen, daß Vaterschaftstests nur mit der Zustimmung der Mutter gemacht werden können? Der andere ist nämlich arbeitslos und mein Freund verdient gut - da möchte ich kein Risiko eingehen und später lieber gut versorgt werden.
Was werden Sie und die Grünen tun, damit wir Frauen noch mehr privilegiert werden als die Männer? Männer haben uns schließlich Jahrtausendelang unterdrückt, ist doch nur gerecht, wenn wir jetzt mehr Rechte haben als die. Werden Sie auch an Grünen Forderung, daß Männer sich an der Hausarbeit mit mindestens 50% verpflichten müssen, weiterhin festhalten?
MfG,
Lisa Schwöcken
Sehr geehrte Frau Schwöcken,
ich möchte mit meiner Antwort folgendes klar stellen: Den Grünen geht es in ihrer Frauen- und Familienpolitik nich darum, die Väter "in die Pfanne zu hauen". Mehr als andere Parteien suchen wir nach einem Ausgleich zwischen dem Kindeswohl und den Rechten und Pflichten der Eltern. Wenn Sie dazu bereit sind, ihrem Freund die Verantwortung für Ihr zukünftiges Kind soweit zu übergeben, dass er Elternzeit nehmen soll, und wenn er dazu bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen - dann könnten Sie durchaus darüber nachdenken, ob darauf nicht auch ein gemeinsames Sorgerecht gründen sollte. Eine Übernahme der Elternzeit ohne Sorgerecht ist rechtlich nicht möglich, denn diese soziale Leistung geht mit der Übernahme der elterlichen Pflichten einher. Wir halten dies auch für richtig. Auch Väter haben nach unserer Auffassung ein Elternrecht, sofern sie auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Wir stimmen mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überein, in dem es heißt, die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setze sowohl "eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern als auch ein Mindestmaß an Übereinstimmung und eine Ausrichtung am Kindeswohl voraus". Ist der nicht mit der Mutter verheiratete Vater aber willens und in der Lage, die elterliche Verantwortung für das gemeinsame Kind in gleicher Weise wie die Mutter zu tragen und tut er dies auch tatsächlich, so denken wir Grünen darüber nach, in gerichtlichen Einzelfallentscheidungen das Sorgerecht des Vaters auch ohne die Zustimmung der Mutter durchzusetzen. Immer vorausgesetzt, es sprechen keine schwerwiegenden Gründe dagegen. Es sollte in diesem Zusammenhang allerdings auch nicht übersehen werden, dass es bisher keine besonders hohe Zahl an Vätern ist, die bereit sind, so viel Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen - gerade fünf Prozent der Väter nehmen heute Elternzeit in Anspruch.
Bei den Vaterschaftstests geht es uns um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Kindes. Niemand soll ihm ohne sein Einverständnis oder das einer/eines Sorgeberechtigten genetisches Material entnehmen und untersuchen lassen können. Auch der Bundesgerichtshof hat dies in seinem Urteil zu Anfang des Jahres für einen Verstoß gegen die Grundrechte des Kindes erklärt. Wir Grünen sehen aber auch, dass Väter ein Recht darauf haben, zu wissen, ob sie der biologische Vater sind. Deshalb wollen wir ein unkomplzierteres Feststellungsverfahren einführen. Auch hier gilt: Schwerwiegende Gegenargumente, die eine Einschränkung des Kindeswohls vermuten lassen, dürfen nicht vorliegen.
Bündnis 90/Die Grünen betreiben keine "Privilegierungspolitik". Wir arbeiten an dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit. Und hier gibt es nun mal - das lässt sich nicht von der Hand weisen - noch viel zu tun, bis die Frauen in allen Bereichen aufgeholt haben. Sie setzen mit der gerechten Verteilung der Hausarbeit an der richtigen Stelle an: Nach wie vor übernehmen Frauen 2/3 der gesellschaftlichen (unbezahlten) Aufgaben. Das bedeutet für die Frauen aber auch, dass sie zugunsten dieser Aufgabe auf Einkommen, Rentenleistungen und auf beruflichen Erfolg verzichten. Es ist kein Zufall, dass heute gerade zehn Prozent aller Führungskräfte in der Wirtschaft und 14 Prozent aller ProfessorInnen weiblich sind, und dass der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen 30 Prozent beträgt. Was spricht in Ihren Augen dagegen, die gesellschaftlichen Aufgaben gerecht zwischen den Geschlechtern zu verteilen, genauso wie Macht oder Geld, Herr Schwöcken?
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk