Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Christian M. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Irmingard Schewe-Gerigk!
In diverse Gleichberechtigungs-Foren im Internet wurde eine Diskriminierungsliste erstellt und festgestellt, dass es wohlgemerkt betont "Gesetzliche Diskriminierungen" nur noch gegen "Männer" gibt. SPD/Grüne behaupten von sich selbst das sie die Antidiskriminierungs-Partei sind. Seit 1998 hat offensichtlich die SPD/Grüne Bundesregierung keine "Gesetzliche Diskriminierungen" abgebaut und sogar noch gegen Männer erweitert?
Einige belegbare Fakten:
1.Allgemeine Wehrpflicht: Nur Männer sind verpflichtet, obwohl grundsätzlich auch Frauen für den Militärdienst geeignet sind.
Lösungsmöglichkeiten: Milizsystem abschaffen und reine Berufsarmee schaffen, oder Wehrpflicht für beide Geschlechter
2.Neu in der Liste: Frauen werden bezüglich der Vorschriften zur Haartracht bei der Bundeswehr bevorzugt. Frauen dürfen im Gegensatz zu Männern lange Haare tragen.
3.Quotenregelungen im öffentlichen Dienst: Sind bisher immer nur eine einseitige Bevorzugungen von Frauen, in Bereichen in denen Frauen die Beschäftigungsmehrheit stellen gibt es keine ensprechende Regelung zugunsten von Männern (z.B bei Pflegebrufen, Grundschullehrern, Kindergärtnern, ...)
4. SGB 5 § 25 Gesundheitsuntersuchungen:
(2) Versicherte haben höchstens einmal jährlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen, Frauen frühestens vom Beginn des zwanzigsten Lebensjahres an, Männer frühestens vom Beginn des fünfundvierzigsten Lebensjahres an.
Konkret wirkt sich das bei der Hautkrebsvorsorgeuntersuchung aus. Frauen können schon mit 30 eine gratis Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nehmen, Männer erst mit 45 und das obwohl mehr Männer in dieser Altersgruppe an Hautkrebs sterben.
5. Ein umfangreicher Gesundheitsbericht wurde nur für Frauen erstellt!
usw.
Würden die gesetzlichen Diskriminierungen abgebaut sein, wenn Frauen davon betroffen wären?
Sind Frauen überprivilegiert?
Sind SPD/GRÜNE eine männerfeindliche Partei?
Sehr geehrter Herr Martens,
gerne würde ich die Seriosität dieser "Gleichberechtigungsforen" einmal überprüfen. Ich möchte Ihnen zunächst pauschal antworten: Grüne und SPD sind keine männerfeindlichen Parteien. Wir bemühen uns aber, die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen aufzuheben - wie dies das Grundgesetz in GG Artikel 3 vorsieht. Dabei handelt es sich heute weniger um Gesetze als vielmehr um die reale Situation, die Verteilung von Macht und Geld und die Frage, wer in welche Tätigkeiten Zeit investiert. Heute sind nach wie vor in den Fürhungspositionen der Wirtschaft knappe zehn Prozent Frauen zu finden, unter den ProfessorInnen sind gerade 14 Prozent weiblich.
Durchschnittlich verdienen Frauen 30 Prozent weniger als Männer - und im Alter sind sie deutlich schlechter abgesichert. Es ist falsch, Gesetze losgelöst von der gesellschaftlichen Gesamtsituation zu sehen. Sie haben einen "Lenkungscharakter". Auf dieser Grundlage diskriminiert keines der von Ihnen angegebenen Gesetze Männer:
1. Allgemeine Wehpflicht. Bündnis 90/Die Grünen wollen die Wehrpflicht auch für Männer abschaffen. Wir wollen, dass die Entscheidung für die Bundeswehr von Männern und Frauen freiwillig getroffen wird. Aus gleichstellungspolitischer Perspektive möchte ich hinzufügen: Von den gesamtgesellschaftlichen (unbezahlten) Aufgaben werden heute 2/3 von Frauen übernommen - dazu gehört natürlich vor allem die Erziehung der Kinder und die Pflege der älteren Menschen. Das bedeutet für die Frauen aber auch, dass sie zugunsten dieser Aufgabe auf Einkommen, Rentenleistungen und auf beruflichen Erfolg verzichten (wie oben beschrieben). Gleichstellung sollte unseres Erachtens nicht bedeuten, dass wir Frauen noch in einen weiteren Pflichtdienst zwängen. Der Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter wäre sehr gering im Gegensatz zu einer besseren Einbeziehung der Väter in die Erziehung ihrer Kinder. Gerade sechs Prozent aller Väter beteiligen sich heute an der Kindererziehzung, indem sie einen Teil der gesetzlichen Elternzeit in Anspruch nehmen - diese Möglichkeit hat die rot-grüne Bundesregierung seit 2001 vorgesehen. Bevor wir also über die mangelnde Einbeziehung der Frauen in der Bundeswehr diskutieren (in der sie übrigens erst seit wenigen Jahren gleichberechtigt teil nehmen dürfen), sollten wir dieses gesamtgesellschaftliche Ungleichgewicht beenden.
2. Tatsächlich findet sich in den zentralen Dienstvorschriften der Bundeswehr ein Erlass der Bundeswehr - kein Gesetz - der es den Männern vorschreibt, kurze Haare zu tragen, den Frauen allerdings nicht. Bündnis 90/Die Grünen werden sich dafür einsetzen, dass diese Bestimmungen zum Haarschnitt, die auf eine unterschiedliche Behandlung der Soldatinnen und Soldaten hinauslaufen, aufgehoben werden. Ein gutes Beispiel dafür, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern auch gesamtgesellschaftlich frischen Wind bringt.
3. Auch wir wünschen uns mehr Männer in den Erziehungs- und Pflegeberufen. Quoten sind allerdings gar nicht nötig - die Schulen und Kindergärten suchen nach männlichem Personal. Das Problem liegt eher darin, dass nur sehr wenige Männer Pflege- und Erziehungsberufe reizvoll finden - zum einen wegen der schlechten Bezahlung, zum anderen aufgrund eines nach wie vor stark in der Gesellschaft verankerten Rollendenkens, nach dem Pflege- und Erziehungsberufe weibliche assoziiert werden. Eine Quote für diese Berufe zu schaffen, würde bedeuten, dass wir Männer zum passenden Studium oder zur Ausbildung zwingen müssten - das aber lehnen wir ab, das verbietet auch das Grundgesetz. Um etwas zu ändern, setzen wir auf Motivation und Erziehung - es muss uns gelingen, die immer noch bestehenden Rollenklischees abzuschaffen.
4. Welche (Vorsorge)Untersuchungen für wen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, legt nicht die Politik sondern ein Gremium der Selbstverwaltung - der gemeinsame Bundesausschuss in dem Ärzte (Krankenhäuser) und Krankenkassen vertreten sind - fest. Diese beraten mit medizinischen Sachverstand, welche Untersuchungen den notwendigen Qualitätsanforderungen entsprechen und ob das Angebot einer Befund unabhängigen Untersuchung aus medizinischen Gründen gerechtfertigt ist. Adressat Ihrer Frage müsste daher der gemeinsame Bundesausschuss (www.g-ba.de) sein.
5. Sie übersehen, dass der medizinische Mainstream bisher immer vom männlichen Körper ausgegangen ist. So wurden viele Krankheiten bei Frauen nicht erkannt (z.B. Herzinfarkte), auch Medikamente wurden nur an Männern getestet. Generell setzt sich in der Medizin erst langsam die Erkenntnis durch, dass Männer und Frauen unterschiedlich krank sind, und dass auch Medikamente unterschiedlich auf die Geschlechter wirken. Insofern hat die Forschung bei den Frauen hier noch einiges nachzuholen - gute Gründe für Fachleute aus dem Gesundheitsbereich, sich zunächst einmal ausführlicher mit der Frauengesundheit zu befassen. Das soll aber nicht bedeuten, dass es nicht langfristig nötig wäre, auch zu fragen, wo die Medizin bei Männern nicht genau genug hinsieht.
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk