Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Sabine S. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Schewe-Gerigk,
die rot-grüne Bundesregierung hat die Prostitution in Deutschland legalisiert. Finden Sie, dass dieses Gesetz erfolgreich funktioniert? Was hat es Positives bewirkt?
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Schröder
Sehr geehrte Frau Schröder,
seit 2002 gibt es das neue Prostitutionsgesetz in Deutschland. Es war ein Meilenstein im Kampf gegen die - auf dem Rücken der Prostituierten ausgetragene – Doppelmoral in diesem Land. Prostitution ist seitdem nicht mehr sittenwidrig. Der Zugang zu Kranken- und Rentenversicherung steht den Prostituierten seither offen. Prostituierte, die freiwillig dieser Tätigkeit nachgehen, dürfen nicht kriminalisiert werden. Sie haben einen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, wenn sie ihre Leistung erbracht haben. Verträge zwischen Prostituierten und Kunden oder Bordellbetreibern sind einseitig verpflichtend, geschützt werden damit die Rechtsansprüche der Prostituierten, nicht aber die von Kunden und Bordellbetreibern gegenüber Prostituierten.
Dadurch unterscheidet sich ein Arbeitsvertrag einer Prostituierten deutlich von anderen Arbeitsverträgen. Die Ausbeutung oder unzumutbare Beeinflussung von Prostituierten steht weiterhin unter Strafe (§ 180a Abs. 1 Ziffer 1 und § 181a StGB). Ebenso bleibt der Schutz von Minderjährigen erhalten. Das Gesetz legt darüber hinaus fest, dass Prostituierte jederzeit die Möglichkeit haben, aus ihrer Tätigkeit „auszusteigen“, z.B. indem sie Umschulungsmaßnahmen bei der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen können.
Dennoch: In der Praxis läuft bisher nicht alles wie erhofft. Bis heute haben sich beispielsweise kaum Prostituierte unter dieser Berufsbezeichnung bei den Sozialversicherungen angemeldet. Hier spielt sicherlich eine Rolle, dass die jahrhundertealte Doppelmoral um die Prostitution viele Frauen doch lieber anonym bleiben lässt. Bei der Anmeldung zur Steuer herrscht vor allem eine begründete Angst vor, zu Nachzahlungen aus der Zeit vor dem Gesetz verpflichtet zu werden – wir setzen uns hier für eine Stichtagsregelung des Bundesfinanzministeriums ein. Einige Länder unterlaufen auch die Bundesgesetzgebung, beispielsweise mit anachronistischen Sperrgebietsverordnungen und restriktiven Auslegungen von Bau- und Gewerbeordnungen.
Dennoch: Wir sind mit dem Gesetz auf dem richtigen Weg. Die Prostituiertenverbände und die Fachleute sind mit den bundesgesetzlichen Regelungen sehr zufrieden. Eine Rücknahme des Gesetzes, wie die Union es plant, würde den Prostituierten jegliche Rechtssicherheit und Möglichkeit der sozialen Sicherung wieder entziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk