Frage an Irmingard Schewe-Gerigk von Sabine S. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Schewe-Gerigk,
ist die Frauenquote der Grünen heute noch zeitgemäß? Werden damit nicht Männer benachteiligt?
Sehr geehrte Frau Süssmuth,
gerne beantworte ich Ihre Fragen bezüglich unserer Quotierungsregelung: Sie ist unserer Meinung nach solange zeitgemäß, bis die Macht tatsächlich gerecht zwischen den Geschlechtern verteilt ist. Denn nach wie vor besteht hier zwischen Männern und Frauen eine deutliche Kluft. Auch heute noch finden Sie an den Schaltstellen der Macht in Deutschland kaum Frauen. Einige Beispiele: Nicht einmal 10 Prozent der Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft sind durch Frauen besetzt. Gerade 14 Prozent aller Professorinnen und Professoren in Deutschland sind weiblich. Der Bundestag besteht zu gerade 32 Prozent aus Frauen, diese repräsentieren mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Diese Situation ist aus einer Rollenverteilung entstanden, an die wir uns vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten gewöhnt haben, die aber absolut nicht selbstverständlich ist. Diese Rollen aufzubrechen, ist ein langwieriger gesellschaftlicher Prozess. Viele Frauen müssen erst lernen, sich freiwillig in die erste Reihe zu begeben.
Die Quote haben wir heute in vielen Bereichen, beispielsweise bei der Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst. Dort liegt ihr stets das - von ihren Kritikern meist unterschlagene - Prinzip "unter der Voraussetzung gleicher Qualifikation" zugrunde. Nur unter dieser Bedingung dürfen Frauen bevorzugt werden. Studien beweisen, dass Frauen meist sogar besser sein müssen als ihr Konkurrent, um als gleich qualifiziert wahr genommen zu werden.. Bei der Besetzung politischer Ämter ist die Frage der Qualifikation natürlich schwerer messbar als im Berufsleben. Die Quote ist hier aber dennoch besonders wichtig. Wir wollen, dass Männer und Frauen in unserer Partei gleichermaßen repräsentiert sind, damit ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche gleichmäßig in unsere Politik eingehen. Und: gerade im Bereich der Politk sind die klassischen Geschlechterrollen stark ausgeprägt. Männer zeigen ein sehr aktives, Frauen ein eher zurückhaltendes Verhalten, wenn es um die Vergabe politischer Posten geht. Das wollen wir mit der Quote ändern und wie Sie selbst erkennen, zeigt dieses Instrument auch bereits Erfolge. Mehr als die Hälfte des Vorstands und der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen. Ich bin mir sicher, damit werden Männer nicht benachteiligt. Was wir erreichen wollen, ist ja nicht eine Gesellschaft, in der Frauen mehr zu sagen haben. Sondern wir wollen eine gerechte Verteilung von Macht und Geld zwischen den Geschlechtern. Das kreative Zusammenspiel von Männern und Frauen an den Spitzen der Macht ist auch für die Männer von Vorteil - zumindest besagen moderne Managementansätze, dass gemischt-geschlechtliche Gremien die besten "Outputs" hervorbringen. Und wenn aufgund der Quote bei den Grünen ein Mann mal zurückstecken muss - in unserer Gesellschaft lebt eine viel größere Menge intelligenter und qualifizierter Frauen, die in irgendeinem Bereich aufgrund eines vermeintlich besseren männlichen Kollegen schon einmal zurückstecken mussten.
Mit freundlichen Grüßen
Irmingard Schewe-Gerigk