Frage an Irene Mihalic von Bernd D. bezüglich Politisches Leben, Parteien
Liebe Frau Mihalic,
Ich wähle schon sehr lange die Grünen. Dabei ist mir unter anderem auch wichtig, dass sich die Grünen für die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen eintreten. Nun hört man jedoch Gerüchte, dass die Grünen dies Volksabstimmungen aus ihrem Programm entfernen wollen. Welche Gründe haben dazu geführt? Wie stehen Sie persönlich dazu? Für mich sind bundesweite Volksabstimmungen einer wesentlicher Punkt, um zu garantieren, dass der Politik die Verbindung zur Bevölkerung nicht verloren geht.
Sehr geehrter Herr Scheich, sehr geehrter Herr Dorsch,
gerne beantworte ich Ihre Fragen, auch wenn unser digitaler Parteitag schon etwas zurück liegt und Sie sich beide im Vorfeld mit Ihrer Frage auf diese Veranstaltung bezogen hatten. Ich erlaube mir Ihre Fragen zusammenhängend zu beantworten, da Sie beide zum Thema Volksentscheide nachgefragt haben.
Unser neues Grundsatzprogramm umreißt die "großen" Ziele und Herausforderungen GRÜNER Politik für die kommenden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Unsere darin enthaltenen Grundsätze sind fortlaufend und nachhaltig mit ganz konkreten Maßnahmen, Initiativen und Beschlüssen zu unter- und umzusetzen. Ob Klimakrise, Artensterben, Digitalisierung oder sich ausbreitender Nationalismus – das sind eben große und z.T. neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Knapp 20 Jahre nach Beschluss des letzten Grundsatzprogramms geht es heute mehr denn je darum "... zu achten und zu schützen …" - unsere Lebensgrundlagen - das Klima und die Natur, aber auch unsere gesellschaftlichen Errungenschaften, wie Bürger*innenrechte, Demokratie und Mitbestimmung.
Auf unserem Parteitag ging es vorrangig um zwei Mitbestimmungsmodelle - Volksabstimmungen und Bürger*innen-Räte. Volksabstimmungen auf Bundesebene wurden nach einer knappen Entscheidung nicht in das Programm aufgenommen. Für beide Modelle gab es gute Argumente. Wir GRÜNEN setzen uns ja vom Beginn unserer Parteigeschichte an für Bürger*innenrechte und -beteiligung auf allen Ebenen ein. Daher stellt sich die Frage, welcher ist der beste Weg; was sind die besten Methoden um Beteiligung zu sichern, Demokratie und Rechtsstaat zu stärken?
Insbesondere die besorgniserregende Entwicklung der letzten Jahre, die durch ein Erstarken rechter bis rechtsextremer Strömungen auf vielen gesellschaftlichen Feldern gekennzeichnet ist und mit der AfD seit 2017 auch einen politischen Arm im Deutschen Bundestag hat, gehört eine aufmerksame, kritische Betrachtung in jede Debatte über Instrumente der repräsentativen und direkten Demokratie. Fest steht, direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie und wir wollen Bürger*innen ermutigen und mehr in politische Prozesse einbinden. Dies funktioniert unsere - respektive meiner - Meinung nach sehr gut durch Bürger*innen-Räte, die sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden sollen und Handlungsempfehlungen zu konkreten Fragestellungen einbringen sollen. Auf diesem Wege fließt Expertise von Bürgerinnen und Bürgern direkt in Gremien- und Parlamentsarbeit ein. Aus wissenschaftlichen Studien auf europäischer und deutscher Ebene wissen wir, dass demokratiefeindliche, rechte Akteure rechtsstaatliche Mittel nutzen, um diese auszuhöhlen bzw. gänzlich zu zerschlagen. Über Bürger*innen-Räte wollen wir das - unsere Meinung nach - derzeit bestmögliche Verfahren einführen, um die Demokratie zu stärken und diesen demokratiefeindlichen Initiativen entgegen zu wirken.
Ich bin mir sehr sicher, das auch nach dem Parteitag der grünen Politik die Verbindung zur Bevölkerung nicht verloren geht! Dafür steht meine Partei - und ich ganz persönlich, immer und gerne im direkten Bürger*innen-Kontakt in meinem Wahlkreis und in Berlin.
Irene Mihalic