Frage an Irene Mihalic von Klaus R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Mihalic,
zu den Ausschreitungen in Stuttgart dieses Wochenende haben Sie laut Welt Folgendes zu sagen: „Die Bilder aus der Stuttgarter Innenstadt zeigen ein erschreckendes Ausmaß blinder Zerstörungswut und Gewalt.“ Ihre Gedanken seien bei den verletzten Polizeibeamten und geschädigten Geschäftsleuten. „Nun müssen akribisch alle Erkenntnisse zusammengetragen werden, damit zügig geklärt werden kann, wer dahintersteckt und wie es überhaupt dazu kommen konnte.“
Denken Sie, dass Ihnen und anderen Politikern diese Worthülsen von den Betroffenen dieser und anderer Taten noch abgenommen werden? Wäre es nicht sinnvoller auf solche Ausschreitungen oder andere Gewalttaten endlich mal entsprechend zu reagieren, als ewig zu beteuern, dass man das doch alles so schrecklich findet und man mit den Gedanken bei den Opfern ist?
Viele Grüße
K. R.
Sehr geehrter Herr Robenek,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Ausschreitungen in Stuttgart zeigen ein erschreckendes Ausmaß an Hass, Gewalt und Zerstörung. Meines Erachtens ist es in einer solchen Situation wichtig und erforderlich, sich auch direkt an die Betroffenen dieser Taten zu wenden. Das schließt eine "entsprechende" Reaktion jedoch nicht aus. Sowohl ich selbst als auch die GRÜNEN als Partei verurteilen die Ausschreitungen scharf. Als ehemalige Polizisten kann ich mich sehr gut in die Lage der Stuttgarter PolizeibeamtInnen hineinversetzen und die Gewalt mit welcher die Polizei in dieser Nacht konfrontiert wurde ist durch nichts zu entschuldigen. Gleichzeitig fordern wir GRÜNE aber auch eine wissenschaftliche Untersuchung möglicher verfassungsfeindlicher Einstellungen in den Reihen der Polizei. Es gibt immer wieder Berichte über Rassismus und Rechtsextremismus innerhalb der Sicherheitsbehörden und wir müssen herausfinden, ob es ein strukturelles Rassismus-Problem innerhalb der Polizei gibt. Um unsere Bundesvorsitzende Annalena Baerbock zu zitieren: "Angesichts zunehmender Polarisierung bräuchte es jetzt einen Innen- und Verfassungsschutzminister, der über eine starke Demokratie spricht und Debatten über Antirassismus, eine starke Polizei und eine Fehlerkultur in der Polizei und Respekt in der Gesellschaft anregt. Seehofer aber setzt auf Selbstinszenierung."
Wie Sie sicherlich wissen, befinden sich die GRÜNEN in der parlamentarischen Opposition. Wer jetzt nur auf die Opposition zeigt, muss sich schon fragen lassen, ob er nicht nur davon ablenken will, wer seit über 15 Jahren den Innenminister stellt. Schließlich erleben wir seit Jahren, dass es nicht weiter hilft, Respekt für die Polizei nur zu fordern. Respekt will immer wieder neu verdient und erarbeitet werden. Dafür braucht die Polizei eine Politik, die sie unterstützt und fordert. Was dabei aber eben seit Jahren fehlt, ist inhaltliche Unterstützung: Eine Politik, die über Polizeithemen nicht inhaltlich sprechen will oder kann, kann keine Ideen entwickeln, an denen die Polizei wachsen kann. Das koppelt sie in gefährlicher Weise vom Rest der Gesellschaft ab. Ein Trend, der sogar an den letzten Änderungen des Strafgesetzbuchs ablesbar ist. Wir haben auch dieses Warnsignal früh erkannt und immer wieder vom Bundesinnenminister gefordert, dass er sich den Themen endlich inhaltlich annimmt, denn eines ist völlig klar: Die Polizei braucht das Vertrauen der Menschen - möglichst aller Menschen, denn Polizeiarbeit funktioniert dann gut, wenn sie vom Vertrauen der Umstehenden getragen ist - und sie scheitert, wenn es an diesem Vertrauen fehlt. Die Polizei ist eben keine Besatzungsmacht. Sie ist eine gesellschaftliche Kraft. Das macht sie stak und schwach zugleich, was eben solange kein Problem ist, solange die Politik dafür sorgt, dass sie ihre Stärken auch tatsächlich ausspielen kann. Wir sprechen uns daher für eine starke Demokratie aus und möchten Debatten über Antirassismus, eine starke Polizei und eine Fehlerkultur in der Polizei und Respekt in der Gesellschaft anregen und diese in einem angemessenen und jederzeit die Würde des Menschen achtenden Ton führen.
Mit freundlichen Grüßen
Irene Mihalic