Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Ingrid Nestle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas M. •

Geehrte Frau Nestle, warum wird in Deutschland nicht der holländische Ansatz von Smart -Metering für z.B Balkonkraftanlagen? Stattdessen haben sie in der Ampel…

Koalition sich für einen Weg entschieden, der die Bedingungen für den Eigenverbrauch verbessert und Volleinspeisung im Besonderen Anreizen soll. So die Aussagen aus der Partei. Ich fände toll wenn diese Aussagen jedoch präzisiert würden. Denn im Prinzip sag diese Aussage nichts aus. Meine Befürchtung ist lediglich,dass die Kleinanlagen wieder hinten runter fallen. Denn mit einer Volleinspeisung ist die Motivation den eigenen dezentral erzeugten Strom zu produzieren schlicht nicht vorhanden. Was genau steckt hinter ihrem Konzept?

Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

Vielen Dank für Ihre Frage. Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes haben wir die größte Reform für Erneuerbare Energien seit Jahrzehnten umgesetzt – und dabei in der Tat auch die Bedingungen für private PV – Anlagen erheblich verbessert: https://www.gruene-bundestag.de/themen/energie/endlich-vorrang-fuer-die-erneuerbaren

Dabei bin ich sehr optimistisch, dass der Ausbau kleiner PV-Dachanlagen nicht unter die Räder kommt. Das wäre bei den absehbar dauerhaft höheren Preisen für fossilen Strom und den zahlreichen Verbesserungen sehr unwahrscheinlich. Auch die hohe Auslastung der Handwerker im Bereich PV-Dachanlagen zeigt ein eindeutiges Bild.

Um zu präzisieren, welche Verbesserungen wir umgesetzt haben: Für Dachanlagen in der Festvergütung wird die Vergütung deutlich angehoben, bei Volleinspeisung beispielsweise von 6,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf bis zu 13,4 Cent pro kWh. Die erhöhten Fördersätze gelten für Anlagen, die ab dem 30. Juli 2022 in Betrieb genommen werden. Damit lohnt sich die dezentrale Erzeugung von Strom auch bei Volleinspeisung.

Außerdem haben wir die Bedingungen für PV-Anlagen verbessert, indem wir gleich mehrere bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt haben:

  • Seit dem ersten Januar muss für die Lieferung und Installation von PV-Anlagen auf Wohngebäuden keine Mehrwertsteuer mehr gezahlt werden. Das macht die Anschaffung günstiger und einfacher. Auch von der Einkommensteuer werden kleinere Privatanlagen befreit.
  • Auch in Mehrfamilienhäusern werden Einnahmen und Entnahmen aus Photovoltaikanlagen sogar bis zu 100 kWp von der Einkommenssteuer freigestellt (15 kWp pro Wohn- oder Gewerbeeinheit). Aufwändige Steuererklärungen entfallen.
  • Bei kleinen EE-Anlagen bis 30 KW installierter Leistung wird es künftig zur Ausnahme, dass der Netzbetreiber beim Anschluss anwesend sein muss. Durch den vereinfachten Netzanschluss können Anlagen schneller in Betrieb genommen werden.
  • Zukünftig lassen sich Anlagen mit Voll- und Teileinspeisung kombinieren. Damit lohnt es sich, die Dächer auch bei eigener Nutzung des Stroms voll zu belegen.
  • Die technische Vorgabe, dass höchstens 70 Prozent der PV-Nennleistung in das öffentliche Netz eingespeist werden dürfen, haben wir für Neuanlagen abgeschafft. Auch für Altanlagen bis einschließlich 7 kW installierter Leistung wurde sie ab dem 1. Januar 2023 aufgehoben.
  • Netzbetreiber müssen ab 2025 ein Portal zur Verfügung stellen, das es Interessentinnen und Interessenten einfach macht, eine Netzanfrage für eine geplante Photovoltaik-Anlage zu stellen. Zudem sollen Netzanfragen bundesweit vereinheitlicht werden. Beides vereinfacht und beschleunigt den Netzanschluss. Profitieren wird insbesondere das „Massengeschäft“ mit PV-Dachanlagen.
  • Lohnsteuerhilfevereine dürfen künftig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter steuerlich beraten, wenn sie in eine PV-Anlage investiert haben.

Zur Frage, warum wir in Deutschland derzeit nicht den holländischen Ansatz für Net-Metering, also rücklaufende Stromzähler, von Balkon-Photovoltaik-Anlagen verfolgen:

Die Zeit, in der Net-Metering sinnvoll angewendet werden kann, ist in Deutschland vorbei. Denn in einem System mit einem sehr hohen Anteil von Wind und Sonne ist es wichtig, dass sich möglichst viele Verbraucher zeitlich an der Verfügbarkeit von Wind und Sonne orientieren. Es muss also durch Preissignale für die Menschen erkennbar sein, wann viel erneuerbarer Strom im Netz ist und wann weniger. Natürlich sind nicht alle Verbraucher zeitlich flexibel und niemand wird die Nutzung seines Computers zeitlich an den Strompreisen orientieren. Aber gerade die großen neuen Verbraucher wie E-Autos, Wärmepumpen und Klimaanlagen sind durchaus zeitlich etwas flexibel. Net-Metering ist nicht vereinbar mit zeitlich präzisen Preissignalen und es wäre kaum möglich, sinnvoll flexiblen Einsatz von Stromverbrauch anzureizen. Derzeit findet dieser generell zu wenig statt, weil noch ein paar Änderungen am Strommarktdesign notwendig sind und weil dies auch erst mit steigendem Anteil von Wind- und Sonnenstrom attraktiv und wirklich notwendig wird. Wollen wir mit 100% Erneuerbaren die Versorgung verlässlich und kostengünstig sicherstellen, werden diese Anreize für flexiblen Verbrauch aber unverzichtbar sein. An den entsprechenden Änderungen beim Strommarkt wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet.

Dieser Punkt allein ist Grund genug, nicht mehr auf das Konzept des Net-Metering zu setzen. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass über den Strompreis nicht nur die Erzeugung des Stroms, sondern auch das Stromnetz (Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannung) und die Maßnahmen zur System- und Versorgungssicherheit finanziert werden. Netzentgelte werden dabei verbrauchsabhängig erhoben. Das heißt, auf jede verbrauchte kWh wird ein bestimmter Centbetrag gezahlt. Bezieht jemand nun weniger Strom aus dem Netz, zahlt er oder sie also insgesamt weniger Netzentgelte.

Allerdings fällt der allergrößte Teil der durch die Netzentgelte finanzierten Kosten weiterhin genauso an. Solange ein Haus nicht vollständig ohne Stromanschluss von außen funktioniert, muss dorthin ein Stromnetz gebaut, ein Anschluss gelegt und die Versorgungssicherheit garantiert werden. Dabei muss das Netz außerdem so dimensioniert werden, dass es die maximal nachgefragte Last tragen kann. Das heißt, auch an dunklen, kalten Winterabenden muss das Netz in der Lage sein, den Verbrauch vollständig abzudecken. Auch wenn diese Leitung im Sommer dann wenig genutzt wird, wenn die Bewohner sich dank Ihrer PV-Anlage viel selbst versorgen.

Bereits jetzt müssen Personen mit eigener PV-Anlage schon weniger Netzentgelte zahlen als Haushalte ohne PV-Anlagen - obwohl alle vom Netz profitieren. Eine schlichte Ausweitung der Befreiung, die mit Net-Metering einhergehen würde – das wäre nicht wirklich gerecht.

Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter!

Mit freundlichen Grüßen,
Ingrid Nestle

 

 

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