Frage an Ingrid Hönlinger von Marion S. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Hönlinger,
als Bürgerin Ihres Wahlkreises interessiert mich,
ob Sie bei der Abstimmung im Bundestag zum neuen Meldegesetz anwesend waren,
wie Sie in dem Fall abgestimmt haben,
bzw. wie Sie zu der damit eröffneten Möglichkeit der Weitergabe von Bürgerdaten an komerzielle Adress-Händler stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
M.Schmidt
Sehr geehrte Frau Schmidt,
vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Anfrage zur Änderung des Meldegesetzes.
Die Abstimmung zum Meldegesetz wurde von Kollegen aus meiner Fraktion vorgenommen. Ich selbst befand mich zu dieser Zeit – in meiner Funktion als Vorsitzende der deutsch-südamerikanischen Parlamentariergruppe – im Gespräch mit einer Delegation aus Südamerika.
Die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen haben bereits im Innenausschuss den Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Im Bundestag haben wir gegen das gesamte Gesetz gestimmt. Da wir in der Opposition nicht über eine Stimmenmehrheit verfügen, konnten wir das Gesetz mit unserem „Nein“ leider nicht stoppen. Den Stopp wollen wir jetzt im Bundesrat erreichen.
Nach dem bisher geltenden Melderechtsrahmengesetz und den entsprechenden Gesetzen der Länder ist es für fast jedermann möglich, bei den Meldeämtern Daten zu einer Person zu bekommen. Dem zu widersprechen war kaum möglich, nach der Zustimmung zur Weitergabe von Daten wurde nicht gefragt.
Diesen Zustand wollen wir schon lange ändern. Für uns, auch für mich, gilt: Meine Daten gehören mir, und ich bestimme, wer sie bekommen darf. Das heißt: Wenn der Staat ein Melderegister aufbaut, dann kann er dafür meine Daten bekommen, das finde ich nicht so problematisch. Aber wenn diese Daten dann an Dritte weitergegeben werden, ohne dass ich das weiß und ohne dass ich es verhindern kann, dann ist das für mich inakzeptabel.
Der ursprüngliche Entwurf für das neue Meldegesetz (er war nötig, weil jetzt der Bund anstelle der Länder für das Melderecht zuständig ist) hatte für das Problem eine gute Lösung: Sollen die Daten für Werbung oder Adresshandel genutzt werden, dann muss der Betroffene jedes Mal explizit zustimmen. Diese Lösung, das sogenannte „opt-in“ scheint mir der richtige Ansatz zu sein. Denn so behält jede Bürgerin und jeder Bürger die Regie über die eigenen Daten.
Kurz vor Abschluss des Gesetzesverfahrens haben CDU/CSU und FDP einen Änderungsantrag vorgelegt: Statt „opt-in“, der Zustimmung im Einzelfall, heißt das Prinzip nun „opt-out“ – man muss widersprechen, dass die eigenen Daten für Werbung und Adresshandel genutzt werden.
Das ist wenig bürgerfreundlich: Wenn man sich neu anmeldet und darauf hingewiesen wird, dann kann man das mit erledigen. Aber, wer auf absehbare Zeit nicht umzieht, muss extra zum Amt gehen und einen Antrag stellen, dass die eigenen Daten nicht weitergegeben werden. Das ist umständlich und die falsche Reihenfolge: Es will doch der Adresshändler etwas vom Bürger, nicht umgekehrt.
Aber es kommt noch schlimmer: Denn eigentlich kann man gar nicht wirklich widersprechen, wenn das Gesetz so bleibt! Der Widerspruch ist ungültig, wenn Daten nur „bestätigt“ oder „berichtigt“ werden. Das klingt nach Sonderfall, ist es aber nicht: Hat ein Adresshändler die alte Adresse und will die aktuelle, dann gilt der Widerspruch nicht – und das sind die meisten Abfragen, denn Adresshändler verdienen damit, dass ihre Daten aktuell sind. Abfragen zur Auffrischung sind die Regel, nicht die Ausnahme.
Das ist aus meiner Sicht kein Datenschutz. Wir Grünen werden im Vermittlungsausschuss dafür kämpfen, dass die Zustimmungsregel wieder ins Gesetz kommt.
Vielleicht gelingt es uns im Vermittlungsausschuss auch, die anderen, etwas kleineren Probleme im Gesetz zu lösen: Die Meldepflicht in Hotels ist ein bürokratischer Aufwand ohne wirkliche Wirkung und gehört eigentlich nicht ins Meldegesetz. Die Bescheinigung des Vermieters bei der Anmeldung bedeutet ebenfalls viel Aufwand und bisher sieht es so aus, als gebe es im Gegenzug sehr wenig Nutzen. Und schließlich ärgern sich Soldatinnen und Soldaten, dass sie sich in dem Ort melden sollen, wo sie übergangsweise in einer Kaserne leben, und solange zuhause Zweitwohnungssteuer zahlen müssen und nicht an Wahlen teilnehmen können.
Aber diese Fragen verblassen neben den Regeln zur Widerspruchslösung. Es ist auch sehr erstaunlich, dass nun die Bundesregierung so tut, als hätte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, dass sie nicht wollte. Die Regierungsvorlage war viel besser und die Änderung kam während des Verfahrens im Bundestag – aber die Bundesregierung hat sich mit keiner Silbe dagegen gewehrt. Nicht in der Zeit zwischen Vorlage des Änderungsantrages und Abstimmung im Bundestag, nicht bei der Diskussion im Innenausschuss und auch nicht durch „Nein“-Stimmen von der Regierungsbank während der Abstimmung.
Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung nun erneute Änderungen will, aber sie sollte schon zugeben, dass sie ihre Meinung damit zum zweiten Mal ändert. Und sie sollte es auch ehrlich tun: In Brüssel wird gerade eine Reform der europäischen Richtlinien zum Datenschutz diskutiert. Und da setzt sich die Bundesregierung gar nicht für die datenschutzfreundliche „opt-
in“ Lösung ein, die sie nun angeblich favorisiert.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Hönlinger, MdB