Frage an Ingrid Hönlinger von Lutz L. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Hönlinger,
vielen Dank für Ihre Antwort von heute.
Zum Sorgerecht unverheirateter Väter teile ich Ihre Kritik an der Regierung und die Genugtuung über den ersten Meilenstein.
Mir ist klar, dass die wirkliche Umsetzung von Grundrechten nicht konfliktfrei ist und Abwägungen, möglicherweise sogar Einschränkungen erfolgen.
Entsprechende Abwägungen und Einschränkungen sollten jedoch juristisch substantiiert und widerspruchsfrei begründet werden und auf fundierter Analyse beruhen. Genau hierauf bezog sich meine Frage vom 23.04.2013. Faktisch geht es mir nicht ums Familienrecht, das Jugendamt oder den Familienrichter, sondern um den Juristen an sich, das Verfahrensrecht und die Gewährleistung der Rechtstaatlichkeit in der Realität.
Es gibt genügend prominente Beispiele für das juristische Versagen der Justiz. Nicht prominente Fälle gibt es noch ungleich mehr. Es ging mir mit meiner Fragestellung also um "rein juristische" Probleme.
Der Komplex: Rechtsmittelgarantie, Ermittlungs-, Hinweis- und Begründungspflichten der Gerichte, das Beschleunigungsgebot, die Wirksamkeit von Rechtsbehelfen usw. scheint für Fachverbände wie dem Deutschen Richterbund eher ein Nebenthema zu sein (allenfalls unter dem Thema Richterethik im kleinen Kreis in Form von Anekdoten). Auch die BRAK ist nicht auskunftsfreudig. Eine Antwort zu Ansprechpartnern und Publikationen habe ich jedenfalls nicht erhalten.
Für Rechtsuchende, die die Klippen des unverständlichen, juristischen Jargons halbwegs überwinden und die "Gewohnheiten" am Gericht hinterfragen, offenbaren sich jedoch beängstigende Zustände, die es eigentlich nicht geben dürfte. Sie sind mitunter schlicht rechtswidrig und verfassungsfeindlich. Meine persönlichen Erfahrungen basieren auf einer gewissen Fallzahl in verschiedenen Rechtsgebieten.
Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie als Anwältin diese Problematik entweder nicht kennen oder ausweichen. Warum?
Mit freundlichen Grüssen und mit der Bitte um Erklärung
Lutz Lippke
Sehr geehrter Herr Lippke,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Ich stimme Ihnen darin zu, dass eine fundierte Grundrechtsprüfung und -abwägung in einem Rechtsstaat essentiell ist. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, Anwälte und Anwältinnen und alle anderen Personen, die an rechtlichen Entscheidungen beteiligt sind, ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen vollbringen.
Fehlentscheidungen werden sich nie vollkommen vermeiden lassen. Wir alle müssen daran arbeiten, sie zu vermeiden. Die Justizpolitik ist in der Pflicht, gute Rahmenbedingungen für eine funktionierende Justiz zu schaffen. Dazu gehört eine ausreichende Finanzierung, um die Justiz angemessen sachlich und personell ausstatten zu können. Arbeitsüberlastung mit einem kaum zu bewältigenden Arbeitspensum führt dazu, dass Richterinnen und Richter für den Einzelfall und damit auch für die Grundrechtsabwägung nicht ausreichend Zeit zur Verfügung haben. Das kann zu Qualitätsverlust und in Einzelfällen auch zu Fehlentscheidungen führen. Auch ist wichtig, dass Menschen, die im Rechtsbereich aktiv sind, eine gute Ausbildung erhalten und sich fortbilden.
Aus meinen Gesprächen mit Vertretern und Vertreterinnen aus dem Rechtsbereich weiß ich, dass Rechtsmittelgarantie, Ermittlungs-, Hinweis- und Begründungspflichten der Gerichte, das Beschleunigungsgebot, die Wirksamkeit von Rechtsbehelfen für alle dort Tätigen wichtige Themen sind. Auch mir ist ein starker und funktionierender Rechtsstaat, der den Zugang für alle unabhängig von ihrem Einkommen offen hält, ein wichtiges Anliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Hönlinger