Frage an Ingrid Hönlinger von Lutz L. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Hönlinger,
ich habe mit Aufmerksamkeit die Beratungen zum (gemeinsamen) Sorgerecht für Nichtverheiratete verfolgt. Mir ist aufgefallen, dass in der Debatte die realen Zustände in der Justiz (auch im Familienrecht) von keiner Seite angesprochen wurden. Viele Abgeordnete sind Juristen und sollten Einblick haben. Klar ist, dass im wahren Leben zum Teil gegensätzliche Interessen und tragische Familiengeschichten zu verhandeln und schwierige Entscheidungen zu treffen sind. Begriffe wie Kindeswohl sind schwer greifbar und einem formalen Zugang entzogen. Sorgfältiges Ermitteln, Abwägen, Vermitteln und zugleich zügiges Handeln ist gefragt, sicher nicht immer einfach. Um überhaupt eine Basis für angemessene Entscheidungen zu haben, bedarf es meiner Meinung nach zunächst der Sicherstellung gleicher Rechte der Betroffenen, des Rechtswegs und Transparenz.
Selbst dann kommt es zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die Betroffenen haben jedoch die Möglichkeit sich zu reflektieren, den weiteren Rechtsweg zu erwägen oder andere Wege für die Zukunft zu finden. Nach meinen Erfahrungen wird dies leider durch die Arbeitsweise vieler Familienrichter / Gerichte ausgeschlossen. Vorbestimmte Verfahrensläufe, inhaltsleere Protokolle, Einbinden der Anwälte in ein informelles Drehbuch sind scheinbar üblich. Alle spielen mit und verdienen, insbesondere der Intrigante profitiert von diesen Gepflogenheiten. Es wird ja hinter verschlossenen Türen verhandelt. Als Beteiligter fühlt man sich betrogen, beschmutzt und ohnmächtig. Wer sich wehrt, wird mit formalen Tricks und Ignoranz abgewehrt. Diese Szenarien werden nicht nur von Betroffenen berichtet. Anwälte geben den Rat, sich abzufinden und im Sinne der Kinder das Beste daraus zu machen. Ähnliche Szenarien werden auch von Strafrechtlern berichtet. Ist das ein Thema im Bundestag?
Mit freundlichen Grüssen
Lutz Lippke
Sehr geehrter Herr Lippke,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Im Bereich Familienrecht sind in vielen Fällen tragische Familiengeschichten zu verhandeln und schwierige Entscheidungen zu treffen, wie Sie zu Recht sagen. Und dies ist in der Tat nicht immer einfach.
Eine gute und spezialisierte Aus- und Fortbildung für Familienrichterinnen und Familienrichter sowie für das Personal des Jugendamtes sind daher essentiell. Eine "rein juristische" Ausbildung wird den tatsächlichen Anforderungen in der Tat oft nur unzureichend gerecht. Zudem sollten Verfahren der alternativen Konfliktlösung in familienrechtlichen Verfahren viel häufiger zur Anwendung kommen. Dies sind Ziele, für die die grüne Bundestagsfraktion und auch ich uns einsetzen.
Das von Ihnen angesprochene Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge für Väter, die nicht mit der Mutter ihres Kindes verheiratet sind, stellt eine große Verbesserung für die Rechtsstellung von Vätern dar. Wichtig ist mir und meiner Fraktion auch, dass im Gesetz das Kindeswohl eine zentrale Rolle einnimmt. Aus meiner Sicht haben wir damit eine ausgewogene Regelung getroffen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Hönlinger