Dr. Inge Gräßle
Inge Gräßle
CDU
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Frage von Walter B. •

Frage an Inge Gräßle von Walter B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrte Frau Grässle,

gerade hat die Regierungspartei Fidesz unter Viktor Orban mit überwältigender Mehrheit die ungarischen Parlamentswahlen gewonnen. Orban demontiert seit Jahren die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien und drangsaliert die Opposition. Im Wahlkampf hat er - wie schon einige Male zuvor - fremdenfeindliche, antisemitische und antieuropäische Töne angeschlagen. Als seine politischen Leitbilder hat er Russland, die Türkei und China genannt. Dennoch ist Fidesz gemeinsam mit der CDU Mitglied der EVP-Fraktion im Europaparlament.

Meine Fragen:

- Wie stehen Sie als Europaabgeordnete zur Fraktionsgemeinschaft mit Fidesz? Steht die Partei für christdemokratische Werte? Werden Sie sich dafür einsetzen die Fraktionsgemeinschaft aufzuheben?

- Wie soll die EU Ihrer Meinung nach mit Mitgliedsstaaten umgehen, die den demokratischen Rechtsstaat im Inneren gefährden, sich den Gegnern der EU andienen, europäische Werte mit Füßen treten und dafür das Votum ihrer Bevölkerung bekommen?

Über Antworten würde ich mich freuen.

Dr. Inge Gräßle
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr B.,

danke für Ihre Nachricht über abgeordnetenwatch.de. Als Vorsitzende im Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments arbeite ich intensiv über die Verwendung der EU-Gelder in Ungarn und habe vor einigen Monaten eine Delegation dorthin geleitet. Den Bericht finden Sie unter http://www.europarl.europa.eu/cmsdata/138521/CONT%20mission%20to%20Hungary%20report_final_revised_20180213.pdf .

Mehrmals habe ich inzwischen das Thema weiter beraten lassen und außerdem eine Stellungnahme des Ausschusses zur Frage der Rechtsstaatlichkeit verfasst. Auch diesen finden Sie unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-615.392%2b03%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE .

Ich finde die Äußerungen der ungarischen Regierung gelegentlich außerordentlich befremdlich, sowohl die Inhalte als auch die Diktion, die mit unhöflich noch vorsichtig umschrieben ist. Die ungarische Regierung muss die Regeln befolgen. Da, wo sie es nicht tut, werde u.a. auch ich aktiv. Die Einhaltung der Europäischen Grundrechtecharta ist ein permanenter und ausführlicher Streitpunkt zwischen der EU und der ungarischen Regierung. Ich bin dafür, das Gespräch zu suchen, statt Gesprächsfäden zu kappen. Deshalb bin ich auch für den Verbleib der FIDESZ in der EVP. Unsere Chancen, dass die Kritik aufgenommen wird, ist dadurch größer. Die EVP-Abgeordneten führen regelmäßig Debatten darüber.

Ihre sehr zugespitzte zweite Frage stellt sich in der Form auch in Ungarn derzeit nicht. Trotzdem beobachte ich die Lage sehr intensiv und wehre mich gegen „Orban-Verklärung“ gerade auch durch die Schwesterpartei CSU oder Teile meiner eigenen Partei in Baden-Württemberg. Die EU-Kommission hat jetzt eine Verordnung vorgelegt, die EU-Gelder an die Unabhängigkeit der Gerichte knüpft. Das ist eine Forderung der Haushaltskontrolleure und ein wichtiger Baustein, Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhang mit der Verwendung von EU-Geldern auch durchsetzen zu können. Im Übrigen zahlt Ungarn selbst einen hohen Preis für den autoritären Kurs: Ungarn ist von allen Viségrad-Staaten derjenige mit der schlechtesten wirtschaftlichen Bilanz und hoher Abwanderung der Bevölkerung. Innovation und Kreativität verträgt keine Drohungen.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Inge Gräßle

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