Frage an Inge Gräßle von Jochen G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Gräßle,
Mit der EU Agrarreform 2013 wird darüber entschieden wie unsere aller Lebensmittel in Zukunft produziert werden. Es werden die Weichen gestellt, ob weiterhin verstärkt industrielle Agrarstrukturen oder regionale kleinbäuerliche Landwirtschaft gefördert werden.
Als Gärtner beobachte ich das Ringen, um die Agrarreform mit großem Interesse und mit Verwunderung habe ich verfolgt, wie die recht guten Vorschläge der EU-Kommission im Agrarrausschuß des EP, in dem Experten/innen aller Parteien sitzen, zerrissen wurden. Statt z. B. größerer Transparenz und demokratischeren Umgang mit Steuergeldern war plötzlich das Gegenteil vernehmbar (Empfänger von Agrarsubventionen sollen geheim bleiben)
Es stellen sich für mich und für alle, die an einer nachhaltigen Landwirtschaft und an deren Produkte interessiert sind, einige Frage, die ich gerne von Ihnen beantwortet hätte:
1.Wie lässt sich die Intransparenz bei der Vergabe/Empfang von Agrarsubventionen rechtfertigen?
2. Wie stehen Sie zur Entkoppelung der Agrarsubventionen von verbindlichen ökologischen Kriterien?
3. Wie ist das Hofsterben (zw. 2007-2013 mussten ein Viertel aller Höfe aufgeben, vor allem Kleinbetriebe) in der EU zu stoppen? Haben regional produzierende, kleinbäuerliche Höfe, die wesentlich mehr Menschen beschäftigen, in der EU überhaupt einen Platz?
4. Ist die Biodiversitätsstrategie der EU mit dem Agrarausschuß Vorschlag vereinbar, wenn Monokulturen auf 80% der Flächen möglich bleiben und die ökolog. Vorrangflächen von 7 % auf 3 % schrumpfen sollen?
5. Setzen Sie sich für kleinbäuerliche Strukturen im Parlament ein? Wie?
Mir ist bewusst, dass dies nicht Ihr Resort ist, aber dennoch sind Sie in der Abstimmung am 12. März stimmberechtigt, ich erhoffe mir daher, dass Sie sich kritisch mit den Vorschlägen ihrer Partei - Agrarexperten auseinandersetzen und sich ihre Meinung zu den oben genannten Fragen bilden. Danke.
Ich freue mich von Ihnen zu hören,
mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr Götz,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Reform der GAP die ich gerne der Reihe nach beantworten möchte:
1. In den Vorbereitungen zur Plenarabstimmung im März, hatte ich mich dafür eingesetzt, dass alle Empfänger von Agrarsubventionen veröffentlicht werden müssen und zwar so, wie in der allgemeinen Haushaltsordnung der EU - deren Ständige Berichterstatterin ich bin und die im vergangenen Jahr durchgesetzt wurde. Für die Landwirtschaft dürfen keine schärferen Regeln gelten als für die anderen Fonds, aber auch keine "weicheren". Dem entsprachen meine Änderungsanträge für die Agrarfonds, die die EVP als Fraktionsanträge aufgenommen hat. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine Veröffentlichung der Anschrift der Beihilfeempfänger nicht möglich - eine gangbare Lösung habe ich in Abstimmung mit dem europäischen Datenschutzbeauftragten gefunden, nämlich die Veröffentlichung mit Name und Regierungsbezirk. Das Parlament hat diesem Antrag zugestimmt. Daher sollen in Zukunft Listen mit den Namen der Beihilfeempfänger von EU-Geldern für jeden Regierungsbezirk veröffentlicht werden.
2. Für die Wiederaufnahme der vom Agrarausschuss gestrichenen GLÖZ-Standards habe ich mich eingesetzt und entsprechende Änderungsanträge mit den notwendigen Unterschriften im Plenum eingebracht. Leider haben einige Kollegen aus dem Agrarbereich ihre Unterschrift zurückgezogen, was ich - mit Verlaub - sehr unfair fand. Andere Kollegen hatten die gleichen Anträge gestellt, denen ich bei der Abstimmung zugestimmt habe. Ich hatte außerdem die Streichung der vom Agrarausschuss beschlossenen Bagatellgrenze von 300 EUR beantragt. Denn mit einer solchen Bagatellgrenze sind Wiedereinziehungen von fälschlich ausgezahlten Geldern in weiten Landstrichen in Europa hinfällig. Damit besteht für die dortigen Bauern nur ein verringerter Anreiz sich auch an die Regel zu halten unter denen sie Förderung erhalten. Dieser Antrag kam leider nicht durch. Jetzt kommt es entscheidend auf den Rat der Agrarminister an. Ich hoffe, dass sie es in der Mehrheit nicht zulassen, dass ganze Mitgliedstaaten für die Nichtanwendung von Cross Compliance nicht mehr sanktioniert werden.
3. Regional produzierende, kleinbäuerliche Betriebe werden auch in Zukunft in der EU einen sehr wichtigen Platz haben. Sie sind das Ziel der EU-Agrarpolitik. Dennoch bleibt fraglich, inwieweit Strukturen, wie sie beispielsweise in den neu beigetretenen Mitgliedsstaaten in großen Teilen zu finden sind - mit Hofgrößen unter 5ha - zukunftsfähig sind - auch im Sinne eines effizienteren Umgangs mit den verfügbaren Ressourcen. Ich halte es daher für wichtig, dass langfristig die EU weg von der Förderung nach dem Prinzip Gießkanne, hinzu der Förderung öffentlicher Güter (Biodiversität, Landschaftspflege, ... ) und Innovation gelangt. Mit einer solchen Förderung können meiner Ansicht nach gerade regionale Betriebe besonders profitieren, die hohe Produktionsstandards einhalten, eine hohe Nahrungsmittelqualität bieten und Landschaftspflegeaufgaben erfüllen (bspw. Bewirtschaftung von Hanglagen).
4. Was die ökologische Vorrangfläche anbelangt, halte ich die Umsetzung für entscheidend. Denn ein Rückgang der Fläche sollte nicht durch eine Intensivierung der Bewirtschaftung auf der verbleibenden Fläche kompensiert werden. Das Parlament hat sich im März für eine stufenweise Einführung der Vorrangflächen ausgesprochen, beginnend mit 3% ab 2015. Außerdem soll der Anbau Stickstoff bindender Pflanzen auf dieser Vorrangfläche möglich sein. Die Fruchtdiversifikation unterstütze ich, für kleine Bauern mit wenig Fläche sollten jedoch hier Erleichterungen gelten.
5. Ich setze mich für die regionalen landwirtschaftlichen Strukturen ein, wie sie in Baden-Württemberg zu finden sind und eine effiziente, Ressourcen schonende Landwirtschaft. Als Haushaltskontrolleurin ist es mir ein besonderes Anliegen, dass die bürokratischen Lasten der Förderung reduziert und Regeln vereinfacht werden. Dabei liegt mein Augenmerk gerade auch auf Vereinfachungen für kleine und mittlere Betriebe.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Inge Gräßle