Dr. Inge Gräßle
Inge Gräßle
CDU
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Frage von Christine M. •

Frage an Inge Gräßle von Christine M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo,

ich würde gerne wissen, warum wir Griechenland mit unmengen von unserem Geld unterstützen. Ich bin zwar kein Politiker, und auch kein Rechtsanwalt, aber so wie ich die Sache sehe, waren die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die EU zu keiner Zeit erfüllt. Ein "erschleichen" der Mitgliedschaft, halte ich in dem Fall für rechtswiedrig. Warum schließt man die Länder; also auch Portugal, Italien u.s.w.; die die Voraussetzungen noch NIE wahrheitsgemäßß erfüllt haben nicht einfach aus?

Liebe Grüße
Christine Meisel

Dr. Inge Gräßle
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Meisel,

besten Dank für Ihre Frage, für die ich etwas "ausholen" muss in der Antwort. Ich verstehe sehr gut, dass Sie sich über unsere Partner in der Währungsunion ärgern. Ich tue es auch. Aber damit ist keinem geholfen und auch noch keinem Mißstand abgeholfen.

1. Der Euro ist das Herzstück der Europäischen Union und des gemeinsamen Marktes, dessen eindeutiger Gewinner die deutsche Volkswirtschaft ist: Wir verdanken unseren Wohlstand diesem gemeinsamen Markt und den Exportchancen, die er uns bietet. Den Euro als Gemeinschaftswährung aufzugeben, hätte einschneidende und eigentlich nicht überblickbare Folgen - nicht nur für unsere Marktchancen in der EU, sondern auch für jedes Bankkonto, für die Sozialversicherung, die Lebensversicherungen... - und selbstredend auch für die bisherige und weitere europäische Einigung. Das wäre der Wendepunkt, nach dem NIEMAND weiß, was dann geschieht. Von daher sehe ich in den Paketen zur Eurostabilisierung ein deutsches Interesse.

2. Die Europäische Union und der Euro beruhen auf dem gleichen Prinzip: Nämlich auf dem freiwilligen Zusammenschluß souveräner Staaten, die gemeinsam die Einhaltung zusammen und freiwilliger beschlossener Verträge zur Grundlage haben, weil sie glauben, dass sie GEMEINSAM bessere Ergebnisse erzielen können als jeder für sich allein.

3. Zur Zeit brechen 14 von 16 Staaten der Eurozone den Maastricht-Vertrag, der die Euro-Stabilität regelt. Der Dammbruch war 2005, als Deutschland - rot-grün regiert - und Frankreich unter dem konservativen Staatspräsidenten Chirac - die vertraglich vorgesehene "Abmahnung" bekommen sollten, weil ihre Verschuldung zu hoch war. Dies haben Schröder und Chirac verhindert, was andere Länder der Eurozone als Einladung begrüßt haben, das gleiche zu tun. Ich bin nicht Ihrer Ansicht, das diese Länder die Voraussetzungen für den Euro "noch nie" erfüllt haben. Sie haben diese Voraussetzungen schon erfüllt, aber mit "hängen und würgen" - und der Kardinalfehler war, dass anschließend keine Sicherung mehr gegriffen hat und auch kein Interesse mehr bei den europäischen Finanzministern vorhanden war, die Verschuldungskriterien ernst zu nehmen. Es ging so lange gut, bis die Märkte zu zweifeln anfingen - und jetzt ist das Vertrauen weg und die tägliche Zitterpartie ist angesagt...

4. Wenn wir die Verschuldungsdaten Griechenlands betrachten, dann können wir 2008/2009 als das Hauptproblem ausmachen. 2008 hat die griechische Regierung ihr Defizit selbst mit 3,7% angegeben, hat es für 2009 auf etwas mehr als 5% hoch korrigiert - um es, nach einem Regierungswechsel - auf über 12% hochzufahren! Das interessiert mich, wie sich die zuständige Kontrollbehörde der Europäischen Kommission, Eurostat, dazu stellt. Ich habe eine schrifliche Anfrage dazu und zu den statistischen Betrügereien eingereicht, deren Antwort leider noch aussgeht. Betrug ist inakzeptabel. Ich habe mich mit den Diskussionen um statistische Angaben zwischen Griechenland und Eurostat seit den 90er Jahren beschäftigt und habe auch schriftlich danach gefragt, wie Eurostat diese Probleme den Finanzministern vorgetragen hat (das Europäische Parlament hat leider in Sachen Euro keine Kontrollrechte). Unstreitig ist, dass eine Vorlage von Eurostat 2005 von den Finanzministern, auch von Deutschland (!) abgelehnt hat, mehr Einblick und Kontrollrechte in die statistischen Angaben der Mitgliedstaaten zu erhalten.

Liebe Frau Meisel, als verantwortliche Haushaltskontrolleurin des Europäischen Parlaments (125 Mrd Euro jedes Jahr) schlage ich mich täglich mit der mangelnden Rechtstreue der Mitgliedstaaten herum. Ich hätte gerne, dass alle 27 dieses Thema ernster nehmen, statt fröhlich nach dem rheinischen Spruch zu verfahren: "Es ist doch immer wieder gut gegangen". Also, welche Lehren MÜSSEN wir ziehen?

a. Einhaltung der Verträge, bei Nichteinhaltung müssen automatische Sanktionen greifen, die nicht nur an Geld gebunden werden dürfen, weil im Krisenfall genau das fehlt, also gar keine Sanktion darstellt.

b. Einblicke in die Haushalte der Mitgliedstaaten und ein Stufenplan, wie eingegriffen werden darf. Das ist verfassungsrechtlich sehr heikel, weil nationale Parlamente souverän sein müssen in ihren Haushaltsentscheidungen!

c. Jeder Mitgliedsstaat muss seine Statistikbehörde unabhängig machen und einen unabhängigen nationalen Rechnungshof einrichten (beides war etwa in Griechenland de facto bislang dem Finanzminister unterstellt). Die nationalen Parlamente müssen sich auch als Kontrolleure ihrer Regierungen in Sachen Euro verstehen.

d. Den europäischen Geist der gemeinsamen Zusammenarbeit wieder beschwören: Wenn wir jeden Mitgliedstaat dazu "prügeln" müssen, das gemeinsam Vereinbarte einzuhalten, dann ist damit das Ganze in Frage gestellt!

Mit freundlichem Gruß

Inge Gräßle

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