Frage an Ilse Aigner von Wolfgang M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Aigner,
in der Berichterstattung zur Demo gegen Gen-Mais am 2.2.09 in Andechs wurden Sie sinngemäß folgendermaßen zitiert: Sie nähmen die Sorgen der Bürger durchaus ernst, es fehle Ihnen jedoch die "rechtliche Handhabe" um tatsächlich etwas zu bewirken. Es bleibe Ihnen lediglich die Suche nach "Schlupflöchern".
Diese Äußerung besorgt mich nun über alle Maßen, denn es geht hier um so eine lächerliche Kleinigkeit wie die essentiellen Lebensgrundlagen (Nahrungsmittel) dieser und aller nachfolgenden Generationen in diesem Land und auch unseren Nachbarländern. Und Ihnen fehlt eine rechtliche Handhabe?
Bitte teilen Sie mir doch mit, welche Interessengruppen aktuell im Besitz dieser "rechtlichen Handhabe" sind und was wir Bürger tun müssten, um die offensichtlich in diesem Bereich verloren gegangene Souveränität zurückzuerlangen, damit Sie als von uns beauftrager Vertreter auch wirkungsvoll in unserem Sinne handeln können.
Und bitte gestatten Sie mir im Zusammenhang mit dem Verlust rechtlicher Handhabe noch eine Frage zum Thema "Codex Alimentarius".
Angeblich tritt Ende 2009 etwas in Kraft, das die juristische Verbindlichkeit dieses zigtausend Vorschriften starken "Verbraucherschutzkataloges" betrifft. Können Sie hier in kurzen Worten einen Hinweis für weitere Recherchen geben?
Vielen Dank und viel Erfolg wünscht,
Wolfgang Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Sie sprechen von "wir Bürger" und suggerieren damit, dass Sie die politischen Mehrheitsverhältnisse in Deutschland kennen, wenn es um die Haltung zur Grünen Gentechnik geht. Tatsächlich wird die Frage des Anbaus von gentechnisch veränderten Mais nicht rundweg von allen Bundesbürgern abgelehnt. Es gibt durchaus differenzierte Meinungen dazu. Die CSU und ich sind in Bayern gegen den Anbau. In jedem Fall geht für mich die Sicherheit der heimischen Tier- und Pflanzenwelt im Interesse der Menschen vor. Was diese Sicherheit angeht, vertrete ich klar und deutlich die Interessen aller Bundesbürger.
Zu Ihrer Anfrage betreffend den Codex Alimentarius:
Der Codex Alimentarius ist eine gemeinsame Einrichtung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ziel ist es, auf globaler Ebene die Gesundheit der Verbraucher zu schützen, den internationalen Handel mit Lebensmitteln fair zu gestalten, und die Lebensmittelvorschriften weltweit zu koordinieren. Zu diesem Zweck entwickeln inzwischen 179 Codex-Mitgliedstaaten und eine Mitgliedsorganisation (die Europäische Gemeinschaft) unter Beteiligung von derzeit über 160 Beobachterstatus genießenden Nicht-Regierungsorganisationen aller - von der Produktion bis zum Verbraucher - an der Lebensmittelkette beteiligten Interessengruppen in der Codex Alimentarius Kommission bzw. ihren Fachgremien international abgestimmte Standards und Leitlinien. Diese Regelungen dienen den Mitgliedstaaten als Orientierung für die Erarbeitung nationaler Rechtsvorschriften und als Richtschnur für den internationalen Lebensmittelhandel. Sie haben damit Empfehlungscharakter. Von Bedeutung ist, dass die Normen des Codex Alimentarius Referenznormen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) darstellen und von dieser u.a. bei Streitbeilegungsverfahren in Handelskonflikten herangezogen werden. Deutschland gehört zu den Gründungsmitgliedern des Codex Alimentarius und arbeitet intensiv in den verschiedenen Gremien mit.
Die Behauptung, "der Codex Alimentarius werde für alle Mitglieder der WTO am 31.12.2009 Gültigkeit bekommen", entbehrt der Grundlage. Wie bereits oben angesprochen sind die von der Codex Alimentarius Kommission als höchstem Entscheidungsgremium beschlossenen Standards, Leitlinien und Verfahrenscodices freiwillig und enthalten deswegen weder Fristen oder Umsetzungsvorgaben noch kann die Kommission diese für verbindlich erklären. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass hinsichtlich der weiteren von Ihnen erwähnten Sachverhalte keine Erkenntnisse vorliegen.
Generell mache ich Sie darauf aufmerksam, dass die Sitzungen der Codex Alimentarius Kommission und ihrer Fachgremien aufgrund der Verfahrensregeln des Codex Alimentarius öffentlich sind. Eventuelle Anliegen, in dem für die Öffentlichkeit bestimmten Bereich den jeweiligen Sitzungen beizuwohnen, sind direkt an das Codex Sekretariat zu richten. Angemerkt sei, dass die Bundesregierung seit vielen Jahre auch Nicht-Regierungsorganisationen als Mitglieder der deutschen Delegation die Teilnahme an den Beratungen der Komitees und der Codex Alimentarius Kommission ermöglicht. Dies erfolgt, um die Transparenz der Arbeiten und die Einbringung berechtigter Interessen zu gewährleisten.
Abschließend weise ich Sie auf die den Codex Alimentarius betreffenden Informationsweiten im Internetangebot des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hin ( http://www.bmelv.de/nn_753994/DE/02-Verbraucher-schutz/Lebensmittelsicherheit/CodexAlimentarius/__CodexAlimentarius__node.html__nnn=true ), welche auch Links mit weiterführenden Hinweisen und Fundstellen zum Thema enthalten. Gleiches gilt etwa für die betreffende Internet-Seite der Schweiz als derzeit amtierender Koordinator für die Region Europa ( http://www.codexeurope.ch/ ). Über die offizielle Internetseite des Codex Sekretariats ( http://www.codexalimentarius.net/web/index_en.jsp ) haben Sie des Weiteren Zugriff auf alle Regelungen des Codex Alimentarius ( http://www.codexalimentarius.net/web/standard_list.do?lang=en ) sowie sämtliche Berichte über die aktuellen und bisherigen Tätigkeiten in den Codex Gremien ( http://www.codexalimentarius.net/web/archives.jsp?lang=en ). Sämtliche als Grundlage für die Sitzungen der Codex Gremien dienende Arbeitsdokumente finden Sie im Übrigen auf dem Internetserver der FAO (ftp://ftp.fao.org/codex/ ). Von Interesse könnte schließlich im Internet verfügbares, im offiziellen Auftrag das Codex Sekretariats erstelltes Filmmaterial betreffend Arbeit und Funktionsweise des Codex Alimentarius sein ( http://www.youtube.com/user/CodexAlim ).
Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner, MdB