Frage an Ilse Aigner von Lutz S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Aigner,
während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird eines der wichtigsten Ziele die Wiederbelebung und letztlich die Verabschiedung eines neuen EU-Verfassungsvertrages sein.
Ein Votum der deutschen Bürger zu diesem Vertragswerk per Volksabstimmung wird von den regierenden politischen Parteien in Deutschland abgelehnt.
Die Beteiligung der Bevölkerung an wichtigen politischen Entscheidungen per Volksabstimmung gehört in Deutschland ohnehin nicht zur demokratischen Praxis. Offensichtlich scheuen die politischen Mandatsträger die unmittelbare Auseinandersetzung mit der Volksmeinung. Sie suggerieren somit gleichzeitig den unreifen, unmündigen Bürger.
Zudem werden Gesetze und Verordnungen erlassen, die niemand mehr versteht und die der wahren Volksmeinung entgegenstehen.
Das schürt die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Ihr Unmut über die Volksferne der Regierung und der von ihr getragenen Systeme und Netzwerke ist inzwischen so groß, dass man von einer Gefährdung des demokratischen Friedens sprechen kann.
Die am 28. Dezember 2006 vom Stern veröffentlichte Forsa-Umfrage zu diesem Thema spricht eine so deutliche Sprache, dass es erschreckend ist.
Selbst Wahlen werden von der Bevölkerung nicht mehr als Mittel der demokratischen Mitbestimmung betrachtet.
Dies müsste eigentlich den politisch Verantwortlichen mehr als zu denken geben. Leider ist aber davon nichts zu spüren.
Vielmehr stehen Ränkespiele um politische Rechthaberei im Vordergrund.
Ich möchte Ihnen deshalb die Fragen stellen, ob Sie ein Plebiszit zum EU-Verfassungsvertrag und anderen wichtigen Grundsatzfragen sowie grundsätzlich eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung durch Volksabstimmungen im Sinne von mehr Bürgerbeteiligung befürworten.
Mit freundlichen Grüßen
Lutz Schowalter
Sehr geehrter Herr Schowalter,
Beim EU-Verfassungsvertrag handelt es sich in der Tat um eine wichtige Frage. Wir alle werden von den Regelungen des Verfassungsvertrags unmittelbar betroffen sein. Vieles spricht also dafür, dass auch die deutschen Bürger über die Annahme des Vertrags abstimmen. Umgekehrt stellt sich die Frage, weshalb für den Verfassungsvertrag eine isolierte Sonderregelung gefunden werden soll. Einer generellen Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene halten die Verfechter der repräsentativen Demokratie gute Argumente entgegen. So kann die Entscheidungsfindung wesentlich schneller und effizienter stattfinden. Zudem ist sie weniger anfällig gegen Populismus und Demagogie. Grundsätzlich empfinde ich für Ihren Vorschlag durchaus Sympathie. Ich bin aber der Meinung, dass die repräsentative Demokratie der direkten Demokratie vorzuziehen ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Ilse Aigner