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Ilse Aigner
CSU
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Frage von Stephan M. •

Frage an Ilse Aigner von Stephan M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Aigner,

in einer Regionalzeitung war heute zu lesen, dass höhere Grünland- und Kuhprämien geplant sind. Das Geld (bis zu 1,2 Milliarden Euro) soll aus dem Sofortprogramm der Bundesregierung und aus weiteren EU-Hilfen entnommen werden.

"Milchbauern sollen eine Kuh-Prämie von rund 20 Euro pro Tier bekommen. Eine Grünland-Prämie von rund 37 Euro pro Hektar ist für Milchbetriebe mit Grünland geplant. In die Aufstockung der Zuschüsse an die Unfallversicherung für Bauern sollen zusätzlich zu den
vereinbarten 200 Millionen Euro weitere 114 Millionen fließen, so dass die Beiträge der Bauern im Schnitt um 45 Prozent sinken. Die restlichen 50 Millionen sollen für zinsverbilligte Kredite und Ausfallbürgschaften ausgegeben werden." (Zitat Regionalzeitung)

Welches Ziel soll diese Förderung verfolgen, außer die Direktzahlung an Milchbauern und Landbesitzer? Wäre es nicht sinnvoller, unsere Landwirte durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen so zu stellen, dass sie alleine durch ihre Arbeit angemessen/ausreichend verdienen? Welche Maßnahmen sind diesbzgl. ggf. geplant? Wie kommt ein Landwirt an diese höhere Grünland- und Kuhprämien (muss er dies beantragen)?

Viele Grüße
Stephan Meyer

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen Dank für ihre Fragen.

in den vergangenen Monaten wurden die landwirtschaftlichen Betriebe - insbesondere die Milcherzeuger - mit einem unerwartet hohen Verfall der Erzeugerpreise konfrontiert. Die damit verbundenen Erlöseinbußen haben bei gleichzeitig hohen Betriebsmittelpreisen zu erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten in den Betrieben geführt. Ursache dieser Entwicklung ist der bereits im Jahr 2008 weltweit zu beobachtende Abschwung auf den Weltagrarmärkten.

Zur Überwindung der Marktkrise hat die Bundesregierung zahlreiche Hilfsmaßnahmen ergriffen und in Brüssel insbesondere für den Milchsektor auf den konsequenten Einsatz der bestehenden Marktordnungsinstrumente gedrängt, um die Marktpreise zu stabilisieren.

Maßnahmen wie die frühzeitige Öffnung der privaten Lagerhaltung von Butter, die Intervention von Butter und Magermilchpulver und die vorübergehende Gewährung von Exporterstattungen haben mit dazu beigetragen, dass die Märkte sich in den letzten Monaten zunehmend stabilisiert haben und die Preise für Milch und Milcherzeugnisse wieder gestiegen sind. Diese Markterholung schlägt sich nach und nach auch in steigenden Milcherzeugerpreisen nieder.

Ich habe mich sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene immer wieder nachdrücklich auch für Maßnahmen zur Begrenzung der Milcherzeugung eingesetzt. Ein Aussetzen der im Health Check beschlossenen Quoten¬erhöhungen oder gar eine Quotenkürzung war in der EU jedoch nicht durchsetzbar, da dies von der EU-Kommission und der weit überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten als ein falsches politisches Signal im Hinblick auf das Auslaufen der Milchquotenregelung im Jahr 2015 gesehen wird. Änderungen des nationalen Milchquotenrechts mit dem Ziel der Verbesserung der Lieferdisziplin der Milcherzeuger und damit einer Begrenzung der Milchanlieferung werden von der Mehrheit der Bundesländer mit dem Argument abgelehnt, dass einseitig nationale Mengenbeschränkungen nachteilig für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchwirtschaft sind. Mengenregulierende Maßnahmen zur Begrenzung der Milchproduktion sind damit keine politisch durchsetzbare Option.

Deswegen müssen wir andere Instrumente anwenden, um die Auswirkungen der Krise für die landwirtschaftlichen Betriebe und insbesondere die Milcherzeuger wirksam abzumildern. Die Bundesregierung hat deshalb ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die in den kommenden zwei Jahren die landwirtschaftlichen Betriebe deutlich entlasten werden.

Zentrales Element dieses Maßnahmenbündels ist das in den Koalitionsvereinbarungen für die kommenden zwei Jahre vorgesehene Sonderprogramm für die Landwirtschaft mit Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt 750 Mio. €. In den wenigen Wochen seit der Regierungsbildung haben wir jetzt die Umsetzung konzipiert und einen Gesetzentwurf erarbeitet, der in Kürze von der Bundesregierung beschlossen werden soll.
Die Koalitionsvereinbarung sieht folgende Maßnahmen vor:
- ein 500 Mio. € umfassendes Grünlandmilchprogramm
- eine Aufstockung des Bundeszuschusses an die Landwirtschaftliche Unfallversicherung um insgesamt 200 Mio. € sowie
- ein mit 50 Mio. € ausgestattetes Krisenliquiditätsprogramm. Grünlandmilchprogramm
Das Grünlandmilchpaket setzt sich aus drei Maßnahmen zusammen: Wir werden zwei neue Beihilferegelungen für Milcherzeuger einführen:
= Eine Grünlandprämie für Milcherzeugungsbetriebe mit Grünland für die Jahre 2010 und 2011. Förderfähig sind dabei 3 Hektar Grünland je Kuh. Die Prämienhöhe wird voraussichtlich bei ca. 37 €/ha Grünland liegen. Hierfür sind 2010 und 2011 jeweils 113 Mio. € vorgesehen (2 Mio. € EU-Mittel und 111 Mio. € Bundesmittel). Die Grünlandprämie muss im Sammelantrag beantragt werden und wird voraussichtlich zeitgleich mit der Betriebsprämie 2010 bzw. 2011 ausgezahlt.
= Eine Kuhprämie in Höhe von ca. 21 € je Kuh für Milcherzeugungsbetriebe für die Jahre 2010 und 2011. Dafür sind 2010 85 Mio. € und 2011 75 Mio. € vorgesehen. Die Maßnahme wird als De-minimis-Beihilfe gewährt, so dass hier die Obergrenze für diese Beihilfen (7.500 € innerhalb von drei Jahren) Anwendung findet. Dies bedeutet, dass unter der Voraussetzung, dass ein Betrieb keine anderen De-minimis-Beihilfen (z. B. aus dem Liquiditätshilfeprogramm, Milchkuhprämie in Bayern) erhalten hat, die Kuhprämie für maximal 178 Kühe bei Beantragung 2010 und 2011 bzw. für 357 Kühe bei einmaliger Beantragung 2010 gewährt werden kann. Die Kuhprämie muss ebenfalls beantragt werden. Sie soll deutlich früher als die Betriebsprämie ausgezahlt werden. Die nicht für die Grünlandprämie und die Kuhprämie benötigten Bundesmittel aus den 500 Mio. € des Grünlandmilchprogramms (114 Mio. €) werden wir über den in der Koalitionsvereinbarung beschlossenen erhöhten Bundeszuschuss hinaus für eine zusätzliche Aufstockung der Bundesmittel in der LUV verwenden. Aufgrund einer Umstellung der Risikoklassen werden davon besonders viehhaltende Betriebe profitieren.
Erhöhung des Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung Der Bundeszuschuss zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung wird 2010 und 2011 über die bereits im Koalitionsvertrag vorgesehene Erhöhung von jeweils 100 Mio. € hinaus um weitere Mittel (nach derzeitigem Stand: rd. 100 Mio. € 2010, rd. 14 Mio. € 2011) aus dem Grünlandmilchprogramm aufgestockt. Durch den Bundeszuschuss von 300 Mio. € in 2010 können die Beiträge im Bundesdurchschnitt um rund 45 % gesenkt werden. Diese Entlastung wird sich in den landwirtschaftlichen Betrieben befristet auf die beiden kommenden Jahre in den Beitragsbescheiden der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften in Form von Gutschriften bemerkbar machen.

Krisenliquiditätsprogramm
Das neue für 2010 und 2011 mit insgesamt 50 Mio. € dotierte Programm soll sich inhaltlich und zeitlich möglichst nahtlos an das bereits im laufenden Jahr angebotene erfolgreiche Liquiditätshilfeprogramm des Bundes anschließen. Für die Zinsverbilligung von Liquiditätshilfedarlehen durch die landwirtschaftliche Rentenbank hatte die Bundesregierung bereits im Frühsommer 2009 25 Mio. € zur Verfügung gestellt. Nun wird eine Zinsverbilligung von Liquiditätshilfekrediten der Landwirtschaftlichen Rentenbank sowie die Gewährung von modifizierten Ausfallbürgschaften für diese Kredite vorgesehen.
Neben dem Sonderprogramm sind in dem Gesamtpaket folgende Elemente enthalten, die wir bereits in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht haben:
- Vorziehen der Auszahlung der Betriebsprämie für 2009 auf den 1. Dezember
Die Betriebsprämie wird gerade aktuell ausgezahlt und nicht erst wie in den Vorjahren Ende Dezember.
- Entlastung beim Agrardiesel
Die Bundesregierung wird die bisher befristete Streichung des Selbstbehalts und der Obergrenze beim Agrardiesel dauerhaft fortführen. Darüber hinaus soll auf europäischer Ebene auf eine einheitliche Besteuerung des Agrardiesels hingewirkt werden.
- EU-Milchfonds
Deutschland stehen aus dem EU-Milchfonds 150 Mio. € im Jahr 2010 ansteigend bis 2013 auf ca. 300 Mio. € je Jahr in der 2. Säule insbesondere für Investitionsbeihilfen im Milchsektor sowie für Ausgleichszulagen und Weideprämien zur Verfügung.
- EU-Milchprogramm
Deutschland stehen aus dem 300 Mio. € umfassenden EU-Sofortprogramm für Milcherzeuger voraussichtlich 61 Mio. € zur Verfügung. Diese Mittel sollen als zusätzliche Grünlandprämie in Höhe von knapp 20 €/Hektar unbürokratisch bis spätestens Ende Juni 2010 ausgezahlt werden. Die EU-Grünlandprämie soll den betroffenen Milcherzeugern nach derzeitigem Erkenntnisstand ohne Antrag auf der Grundlage ihrer im Sammelantrag 2009 festgestellten Grünlandflächen gewährt werden, sofern sie in der HIT-Datenbank im Dezember 2009 eine Rinderhaltung mit der Nutzungsart Milchkuhhaltung angezeigt haben. Auch hier soll eine Obergrenze von 3 Hektar Grünland je Kuh gelten.

Fazit
Mit dem geschilderten Gesamtpaket hat die Bundesregierung die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gebündelt und optimiert. Damit reagieren wir schnell und effektiv auf die gegenwärtigen Probleme der deutschen Landwirtschaft und insbesondere der Milcherzeuger. So geben wir den Betrieben Sicherheit für die kommenden Wirtschaftsjahre. Wir haben uns dabei bewusst für ein dreistufiges Konzept entschieden:
- Verbesserungen und Hilfen für alle Betriebe (z. B. Landwirtschaftliche Unfallversicherung, Agrardiesel, Liquiditätshilfen)
- Zusätzliche Maßnahmen für die besonders vom Preisverfall betroffenen Milcherzeuger (Kuhprämie)
- Spezielle Fördermaßnahmen für die Milcherzeugung auf Grünlandstandorten, da die Milcherzeugung dort oft ohne Alternativen ist und damit ein Beitrag zum Erhalt des Grünlandes in produktiver Nutzung sowie zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Landwirtschaft geleistet wird.
Teile des Maßnahmenpakets führen bereits jetzt zu einer effektiven Entlastung. Ihre volle Wirkung werden die Maßnahmen in den Jahren 2010 und 2011 entfalten. Entscheidend ist, dass die Betroffenen bereits heute wissen, mit welcher Unterstützung sie in den nächsten zwei Jahren rechnen können. Die Hilfen leisten einen wichtigen Beitrag, um die aktuelle Krise zu überwinden, so dass die landwirtschaftlichen Familien in Deutschland wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken können.
Wichtig ist mir aber auch, dass wir zweigleisig fahren:
Auf der einen Seite bringen wir die vorgestellten kurzfristigen Maßnahmen zur Sicherheit und Unterstützung in der aktuellen Krise auf den Weg.
Auf der anderen Seite sind die bereits von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen zur Strukturverbesserung zu nennen, die auf die mittelfristige Zukunft ausgerichtet sind. Hierzu zählen insbesondere
- die zusätzlichen Mittel in der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes und im EU-Milchfonds, die u. a. zur Stärkung der Investitionsförderung in der Landwirtschaft wie auch für Verbesserungen im Bereich Verarbeitung und Vermarktung eingesetzt werden können, und
- die durch das Bundeslandwirtschaftsministerium vorangetriebene Stärkung der Exportförderung.
Das eine ist so wichtig wie das andere. Wir brauchen sowohl die kurzfristigen Hilfsmaßnahmen als auch die mittel- und langfristigen Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck für die Interessen der Landwirtschaft und der ländlichen Räume ein. Mit dem Sonderprogramm für die Landwirtschaft hat sie ein deutliches politisches Signal dafür gesetzt.

Falls Sie weitere Fragen zum Thema haben, dann können Sie zusätzliche Informationen im Internet unter www.bmelv.de abrufen oder wenden Sie sich damit bitte an mein Ministerium. Auf der Plattform "Abgeordnetenwatch" können interessierte Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen, die mein Abgeordnetenmandat betreffen.
Ich bitte Sie, zukünftig darauf Rücksicht zu nehmen.

Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.

Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB

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