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Ilse Aigner
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Frage von Lea T. •

Frage an Ilse Aigner von Lea T. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Aigner,

bezugnehmend auf die Frage von Frau Griesser habe ich ebenfalls eine Frage:
meine Kollegin Frau Tacke und ich haben ein kleines Unternehmen gegründet, welches sich im ersten Jahr durch ein Gründerstipendium mit EU-Mitteln finanziert (www.innovative-schlachtsysteme.de).
Inhalt des Unternehmens ist Beratung im Hinblick auf das Schlachtverfahren des Kugelschusses auf der Weide. Um die Hygienebestimmungen der 853/2004 zu erfüllen, haben wir in Kooperation mit dem Landwirt Ernst Hermann Maier eine Transport- und Entblutebox (TE-Box) entwickelt.
Unseres Wissens nach und im Hinblick auf den Kenntnisstand der hier greifenden Verordnungen (EU-Hygieneverordnung 853/2004, TierSchlV und der Richtlinie 93/119/EG) spricht der Durchführung des Schlachtverfahrens des Kugelschusses auf der Weide - unter Einhaltung der EU-Hygieneverordnung - nichts entgegen. Selbst der hinzugefügte Satz in der 853/2004 Anh. III Kap. IV 2.b. "in die Schlachtanlage dürfen nur lebende Schlachttiere verbracht werden" wird durch den Einsatz der TE-Box erfüllt. Nach der Betäubung auf der Weide durch den Kugelschuss wird das Tier "lebend" in die TE-Box verbracht und dort durch Blutentzug getötet. Da die TE-Box dezentraler Teil der Schlachtstätte ist, wäre auch diese Vorgabe erfüllt.

Zu meiner Frage:
Die Hinzufügung des Satzes "In die Schlachtanlage dürfen nur lebende Schlachttiere verbracht werden" in der Verordnung 853/2004, auf den sich die Behörden bei Nichtgenehmigung des Schlachtverfahrens häufig berufen, bezieht sich doch vielmehr auf den Fall, dass Tiere nicht schon auf dem Transport verenden - sondern lebend im Schlachtbetrieb eintreffen sollen - als auf das Verfahren des Kugelschusses.
Wie ist es möglich, dass ein solcher Satz zu einem Verbot eines einzig annehmbaren Schlachtverfahrens für Tiere aus ganzjähriger Freilandhaltung führen kann/soll?
Über eine Beantwortung meiner Frage wäre ich sehr dankbar.

Mit vielen Grüssen
Lea Trampenau

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Trampenau,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Sie deutet den Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 so, als seien die dortigen Bestimmungen zum „Verbringen lebender Tiere“ in die Schlachtstätte gefasst worden, um dem Verbringen von auf dem Transport verendeter Tiere zu begegnen. Die Unterbuchstaben i - iii) des Anhangs III Kapitel IV Nr. 2 Buchstabe b verdeutlichen aber, dass Ausnahmen vom „Verbringen lebender Tiere“ in die Schlachtstätte nur im Falle einer Notschlachtung, für Farmwildfleisch, für frei lebendes Wild und in Verbindung mit Anhang III Abschnitt III Nr. 4 für Bisons möglich sind. Eine Tötung bzw. Schlachtung von (extensiv gehaltenen) Rindern durch Kugelschuss zur Fleischgewinnung ist somit im Regelfall unter den in der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 genannten Bedingungen nicht zulässig.
Der Einsatz mobiler Schlachtstätten ist denkbar, wenn diese als externe Bestandteile zugelassener Schlachtstätten fungieren. Ob die „TE-Box“, wie von Ihnen vorgestellt, im Sinne der Vorgaben als dezentrale Einheit einer Schlachtstätte einsetzbar ist, wäre von den jeweils zuständigen Behörden vor Ort zu prüfen.
Die Möglichkeit, ganzjährig im Freien gehaltene Rinder zur Fleischgewinnung durch Kugelschuss zu töten, soll durch die Ausführungen des Entwurfs einer Ersten Verordnung zur Änderung von Vorschriften zur Durchführung des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts vom 28. Oktober 2008 wieder eröffnet werden. Im Rahmen dieses Notifizierungsverfahrens hat die Europäische Kommission jedoch Einwände u.a. auch gegen die vorgesehene Regelung zur Schlachtung extensiv gehaltener Rinder am Herkunftsort erhoben. Die Erweiterung der Möglichkeit zur Schlachtung außerhalb eines Schlachthofes stelle eine so erhebliche Abkehr von den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts dar, dass eine gemeinschaftsrechtliche Lösung gesucht werden müsse. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass mehrere Mitgliedstaaten eine derartige Erweiterung anstreben (v.a. Großbritannien und Dänemark haben Bedarf für Flexibilität bei der Schlachtung von anderen ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern als Bisons signalisiert).
Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Monaten in der KOM-Arbeitsgruppe Veterinärrecht geführten Beratungen besteht eine realistische Aussicht, eine den deutschen Belangen gerecht werdende gemeinschaftsrechtliche Regelung zu erreichen. Das BMELV hat die Kommission auf die Dringlichkeit des Anliegens hingewiesen und um eine kurzfristige Vorlage eines entsprechenden Regelungsentwurfs gebeten.

Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB

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