Entscheidungsfreiheit über eigenen Körper auch bei Impfungen?
Sehr geehrter Herr Mann,
die Jugendorganisation Ihrer Partei wirbt mit dem Spruch "My body, my choice" ("Mein Körper, meine Wahl", z.B. hier: https://www.jusos-niedersachsen.de/gleichstellung/) für eine weitere Liberalisierung der Abtreibung. Würden Sie diese Devise auch bei der aktuellen Debatte um eine Impfpflicht gelten lassen?
Sehr geehrter Herr K.,
bei der Frage einer allgemeinen Impfpflicht müssen wichtige Güter miteinander abgewogen werden. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Einzelnen steht dem Infektionsrisiko der Gemeinschaft und dem Schutz unseres Gesundheitssystems vor Überlastung gegenüber. Eine allgemeine Impfpflicht kommt daher erst dann in Frage, wenn der Staat alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft hat. Hier gibt es auch im zweiten Jahr der Pandemie in vielen Bereichen (Aufklärung, Impfangebot, Vorteile für vollständig Geimpfte) noch Potenziale, die es auszuschöpfen gilt.
Sollten diese Maßnahmen nicht zu einer Impfquote von mindestens 90% führen, ist eine Impfpflicht denkbar. So kann das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Gesellschaft nur durch eine hohe Impfquote und den damit entstehenden Gemeinschaftsschutz dauerhaft gewährleistet werden. Dass diese Einschätzung mit dem Grundgesetz konform ist, bestätigen uns auch viele Jurist:innen. Wichtig festzustellen ist dabei, dass eine Impfpflicht kein Impfzwang ist. Niemand wird zu einer Impfung gezwungen, viel mehr ist im Falle einer Verweigerung mit einem Bußgeld zu rechnen.
Die Frage einer Abtreibung ist eine rein private Entscheidung ohne Konsequenzen für Dritte. Die Entscheidung sich nicht impfen zu lassen dagegen hat nicht nur gravierende Folgen für das Infektionsrisiko unserer Mitmenschen, sie hat auch den Verlust bedeutender individueller Freiheiten zur Konsequenz.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Mann, MdB