Frage an Holger Haibach von Andreas T. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Haibach,
das WSG im Kern mit seinem Gesundheitsfonds wurde von der Bundesregierung beschlossen, der Fonds tritt zum 01.01.2009 in Kraft. Eine Reform der Krankenversicherung war notwendig, wie auch bereits die Jahre zuvor, weil die Ausgaben zu hoch wurden und die Beitragssätze entsprechend gestiegen sind. Das Resultat kennen wir nun, der Fonds startet mit einem Beitragssatz von 15,5 %, die paritätische Finanzierung wird weiter aufgelöst, da künftige Zusatzbeiträge ausschließlich vom Versicherten zu tragen sind. Ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie sich als Abgeordneter umfänglich über das WSG und seine Folgen informiert fühlen.
Meiner Ansicht nach, ist es ein reines Politikum mit dem von Frau Schmidt gestecktem Ziel, künfitg keinen Ärger mehr mit billigen und aufständigen Kassen zu haben, sondern in Zukunft den Zepter zu schwingen und mögliche Geldmängel in die Schuhe der Kassen zu schieben. Die Vielfalt der Kassen in Deutschland bot bisher ein breites Spektrum an Wettbewerb. Ich kann aber ab 01.01.2009 nicht mehr mit dem wichtigsten Wettbewerbsinstrument - dem Preis - meine Kassenwahl entscheiden. Ich bin gezwungen, mindestens diese 15,5% zu bezahlen. Wo aber sind die Elemente der Kostendämpfung? Eine Kostendämpfung zu erreichen, in dem in ein paar Jahren vielleicht nur noch 5 - 10 Kassen entsprechende Marktmacht haben, ist imaginär, da bis dahin der Fonds bereits wieder abgelöst wurde....entweder durch die Bürgerversicherung, wenn Ulla Schmidt es tatsächlich noch mal schaffen sollte, sich irgendwie am Amt festzuhalten, oder aber durch die Kopfpauschale.
Ich bin der Auffassung, dass nur ein kleiner Teil der Abgeordneten überhaupt umfänglich verstanden hat was dort beschlossen wurde - bzw. sich mit der Thematik nicht ausreichend auseinander gesetzt hat, um hier eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen.
Gerne erwarte ich Ihre Auffassung hierzu.
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Tischbierek
Sehr geehrter Herr Tischbierek,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de, die ich mit Interesse gelesen.
Ihren Unmut über den Gesundheitsfonds kann ich ein Stückweit nachvollziehen und habe Verständnis für Ihre Unzufriedenheit. Ich möchte aber Ihre Frage nutzen, um Ihnen darzulegen, wie es zu dieser von Ihnen kritisierten politischen Entscheidung gekommen ist. Leider sind in der Öffentlichkeit immer wieder falsche Informationen verbreitet worden und ich möchte helfen, ein paar Missverständnisse zu klären.
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland ist mit ihren Grundprinzipien Solidarität, Subsidiarität und Selbstverwaltung ein Modell, das eine umfassende medizinische Versorgung gewährleistet. Der medizinische Fortschritt, die Folgen der Globalisierung in der Arbeitswelt und die Herausforderungen der demographischen Entwicklung führen allerdings zu einem Ausgabenanstieg, der die Entwicklung der Einnahmen auch in Zukunft übersteigen wird.
Deshalb hatte die Union als Alternative zu immer weiter steigenden Beiträgen im bisherigen Krankenversicherungssystem, das Modell der "solidarischen Gesundheitsprämie" entwickelt. Denn für die Behandlung jedes einzelnen fallen im Durchschnitt 180 EUR im Monat an. Die solidarische Gesundheitsprämie hätte diese Kosten transparent gemacht und damit mehr Wettbewerb im System der Krankenkassen ermöglicht. Der soziale Ausgleich wäre über das Steuersystem erfolgt. Als weitergehende Vorteile der solidarischen Gesundheitsprämie sind darüber hinaus anzuführen:
- Die Krankenkassen erhalten für jeden erwachsenen Versicherten eine Gesundheitsprämie als kostendeckenden Beitrag.
- Die Gesundheitsprämie wird erstens gespeist aus der persönlichen Prämie jedes Versicherten. Für Versicherte mit niedrigem Einkommen greift automatisch ein sozialer Ausgleich. Dabei war klar: Niemand würde bei Einführung der solidarischen Gesundheitsprämie mehr zahlen als bisher.
- Die Gesundheitsprämie wird zweitens gespeist aus der Arbeitgeberprämie. Dieser Anteil des Arbeitgebers wird festgeschrieben. Er bleibt dauerhaft begrenzt und damit von der Entwicklung der Krankheitskosten abgekoppelt. Bei Rentnern zahlen die Rentenversicherungsträger den Arbeitgeberanteil.
Das Ergebnis der Bundestagswahl von 2005 hat eine Umsetzung dieses Modells zunichte gemacht, so dass eine transparente, sozial gerechtere und zukunfstfestere Ausgestaltung der Krankenversicherung nicht möglich war.
Die Einführung des Gesundheitsfonds ist aber nicht verantwortlich für steigende Beiträge zur GKV. Die Beiträge für die Krankenkassen steigen vor allem aus drei Gründen:
1. Steigende Ausgaben für Arzneimittel. Denn im kommenden Jahr werden die gesetzlichen Krankenkassen gut 31 Milliarden Euro - dies ist ein Anstieg um 6,6 Prozent bzw. rund 2 Milliarden Euro -- für die Arzneimittelversorgung aufwenden müssen.
2. Steigende Ausgaben für Hausärzte und Fachärzte. Die niedergelassen Ärzte werden im kommenden Jahr rund 2,7 Mrd. Euro mehr von den gesetzlichen Krankenkassen für die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten erhalten.
3. Steigende Ausgaben für die Krankenhäuser. Auch um die Versorgung von schwerkranken Menschen im Krankenhaus sicherzustellen, wird es zu Mehraufwendungen seitens der GKV kommen. Zurzeit ist davon auszugehen, dass gut 4 Milliarden Euro dafür aufgewendet werden müssen.
Sie sehen also, dass wir es hier mit Faktoren zu tun haben, die Kostendämpfungen nur unter Einschnitten bei der Gesundheitsversorgung zulassen würden. Insofern erscheint der neue Beitragssatz gerechtfertigt, um die Anforderungen der modernen Medizin zu erfüllen.
Der Gesundheitsfonds verteilt lediglich die Beitragsgelder der Versicherten und die Steuermittel -- im Jahr 2009 werden dies 4 Milliarden Euro sein - genauer und zielgerichtet.
Darüber hinaus möchte ich auch darauf hinweisen, dass rund 70% aller Rentnerinnen und Rentner bisher einen überdurchschnittlichen Beitrag zahlen, weil sie Mitglied in einer der sog. Versorgerkassen (wie AOKen oder Ersatzkassen) sind. Viele Rentnerinnen und Rentner zahlen daher ab Januar 2009 auch mit dem angehobenen Beitragssatz weniger als bisher. Es muss ferner festgehalten werden, dass die der Anhebung des Beitragssatzes zugrundeliegende Steigerung der Kosten der medizinischen Versorgung ohne den Fonds mit seinem einheitlichen Beitrag und der fairen Verteilung der Mittel zu einer sehr ungleichen Belastungsverteilung geführt hätte. Die großen Versorgerkassen mit ihren vielen Rentnerinnen und Rentnern hätten ihren Beitrag sicherlich um einen ganzen Prozentpunkt oder mehr anheben müssen. Damit wären die Beitragsschere noch weiter auseinandergegangen und der unfaire Wettbewerb hätte sich weiter verschärft.
Durch den Gesundheitsfonds erhält das System der gesetzlichen Krankenkassen ein bedeutendes Wettbewerbselement zum Vorteil der Versicherten. Endlich kann der Versicherte besser zwischen den Angeboten, Leistungen und der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Kassen vergleichen. Die Krankenkassen müssen über die Produkte, also über ihre Leistungen, konkurrieren. Bisher stand der Wettbewerb um die Höhe des Beitragssatzes im Vordergrund mit dem Ziel den jungen, gesunden Alleinstehenden durch gezielte Werbung zu gewinnen. Das wird sich zukünftig ändern, die der Reform schafft einen echten Wettbewerb der Krankenkassen um die bessere Versorgung der Versicherten. Die Krankenkassen müssen stärker als bisher leistungsorientiert arbeiten und den Wünschen der Versicherten entsprechend unterschiedliche Versorgungsangebote zu unterschiedlichen Tarifen anbieten. Wie bisher haben die Versicherten die Möglichkeit, auch in Zukunft ihre Krankenkasse frei zu wählen.
Sicherlich ist es so, dass sich nicht alle Bundestagsabgeordneten gleich intensiv mit der Thematik beschäftigt haben. Dies ist aber auch kaum möglich, da der Bundestag ein arbeitsteiliges Parlament ist, in dem jeder Abgeordneten sein "Spezialgebiet" hat. Ich selbst bin zum Beispiel vor allem im Bereich der Außen- und Menschenrechtspolitik tätig. Dies heißt jedoch nicht, dass die Abgeordneten völlig uninformiert sind. Im Gegenteil, wir haben in unserer Fraktion in den verschiedensten Gremien lange und ausführlich über die Gesundheitsreform diskutiert und die Probleme und ihre Lösung abgewogen. Den Eindruck, dass hier etwas über die Köpfe der Abgeordneten entschieden wurde, möchte ich ausdrücklich zurückweisen. Natürlich kennt nicht jeder Abgeordnete sämtliche Verästelungen des Gesetzes. Dies kann man aber auch nicht verlangen, da nicht jeder ein Fachjurist mit Spezialgebiet Sozialgesetzgebung ist. Das arbeitsteilige Prinzip hat sich über viele Jahre hin bewährt und ich bin überzeugt, dass wir daran festhalten sollten.
Ich hoffe, Ihnen meine Positionen mit diesen Ausführungen erläutert zu
haben.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Haibach