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Holger Haibach
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Frage von Andreas S. •

Frage an Holger Haibach von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Haibach,

im Rahmen des EU-Vertrages von Lissabon, dem Sie persönlich zugestimmt haben, möchte ich Sie fragen:

1. Ist es zutreffend, daß mit dem EU-Vertrag von Lissabon in ganz Europa die Todesstrafe - in besonderen Fällen - wieder eingeführt wird?

2. Wieviel wert hat nach in Kraft treten des EU-Vertrages dann noch ein Grundgesetz, in dem die Todesstrafe generell für abgeschafft erklärt wird?

3. Aufgrund welcher Bevollmächtigung von wem darf der Bundestag existenzielle Soveränitätsrechte wie die Finanzhoheit und die Wehrhoheit an externe Gruppierungen wie die EU abgeben, wenn dadurch gegen die Rechtsgrundlage des Bundestages (GG) verstoßen wird?

Mit freundlichem Gruß
Andreas W. Sauer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Sauer,

vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de. Ich darf vorab darauf verweisen, dass Ihr Wohnort Königstein zu dem Wahlkreis meines Kollegen Prof. Heinz Riesenhuber gehört.

Zu Ihren Fragen:

1. Die Behauptung, dass der EU-Vertrag eine Todesstrafe wieder zulasse, ist in der jüngsten Zeit von EU-Gegnern wiederholt vorgetragen worden. Diesem Vorwurf möchte ich entschieden widersprechen. In der Charta der Grundrechte der EU, die durch den EU-Reformvertrag Rechtsverbindlichkeit erlangt, ist in Art. 2 das "Recht auf Leben" verankert, wonach gem. Art. 2 Abs. 2 "Niemand zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden darf". Dies ist eine klare und eindeutige Aussage gegen die Todesstrafe. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist im Jahr 1950 abgeschlossen worden, d.h. nicht lange nach dem Ende des 1. Weltkrieges. Vor diesem historischen Hintergrund sind die Formulierungen im Protokoll Nr. 6 zur Konvention zu verstehen, die tatsächlich missverständlich sein können, aber nur, wenn man gerade diesen historischen Hintergrund ausblendet und die Regelungen als vermeintliche Regelung pro Todesstrafe instrumentalisieren möchte. Wie genau das Verhältnis zwischen der Grundrechtecharta und der EMRK zu beurteilen ist, bedarf einer langen juristischen Abhandlung und wird letztendlich vom EuGH zu beurteilen sein. In jedem Fall wird die EMRK hier im Lichte der eindeutigen Charta zu lesen sein müssen. In Deutschland ist nach Art. 102 GG die Todesstrafe ohnehin abgeschafft und die Ratifikation des Vertrags von Lissabon wird hieran nichts ändern. Das Bundesverfassungsgericht hat u. a. in seiner Maastricht- Entscheidung (zuvor Solange I und II) geurteilt, dass das Europarecht die Grundwerte unserer Verfassung nicht brechen kann und dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtssprechungshoheit über diesen Schutz behält. Die Abschaffung der Todesstrafe gehört selbstverständlich dazu. Zudem achtet selbstverständlich auch die EU die "Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten" (siehe u. a. Art. 6 Abs. 3 Vertrag über die EU) worunter ebenfalls die Abschaffung der Todesstrafe unbedingt zu zählen ist.

2. Diese Frage erübrigt sich, da die Wiedereinführung der Todesstrafe definitiv nicht geplant ist. Niemand im Deutschen Bundestag hat die Absicht, die Grundrechte und Grundwerte, die insbesondere in den Art. 1-19 GG festgelegt sind, abzuschaffen.

3. Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung nationaler Souveränitätsrechte ist Art. 23 Abs. 1 GG, insbesondere Satz 2+3. Diese lautet wie folgt:

"Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3."

Ein Verstoß gegen das Grundgesetz liegt insofern nicht vor, da die Todesstrafe gerade _nicht_ wieder eingeführt werden soll und Art. 102 GG "Die Todesstrafe ist abgeschafft" nicht geändert wird. Eine Änderung dieses Artikels strebt niemand ernsthaft an.

Mit freundlichen Grüßen

Holger Haibach