Frage an Holger Haibach von Walter G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Haibach,
warum unterschlagen Sie in Ihrer Antwort an Herr Ney - dessen Betrachtungsweise ich sehr gut nachvollziehen kann, folgende Fakten?
1. Die Bundestagsabgeordneten haben - anders als Bundesrichter - zusätzlich eine steuerfreie Kostenpauschale von 3.782,- €, die sogar jährlich automatisch an die gestiegenen Preise angepasst wird. Wie Sie sicher wissen, hat sogar das Bundesverfassungsgericht insgesamt dagegen Bedenken angemeldet.
2. Abgeordnete dürfen - anders als Richter - einen vollen zweiten Beruf ausüben.
3. Bundestagsabgeordnete erreichen sehr viel schneller als Richter eine volle Altersversorgung, die dazu noch wesentlich früher beginnt.
4. Bundestagsabgeordnete üben als einzige einen Beruf aus, der keinerlei Vorbildung voraussezt. Richter jedoch benötigen eine hohe juristische Qualifikation und langjährige erfolgreiche Berufsausübung. Auch verbessern beispielsweise Lehrer als Abgeordnete Ihre Bezüge und besonders Pensionen enorm.
Finden Sie nicht, dass die von Ihnen benutzen Sätze mit "Transparenz", "Almosen" und gar "Unabhängigkeit" schlicht an der Wahrheit vorbeigehen und Ihre persönlich Distanz zum Wähler dokumentieren?
Wo sind Ihre Refomvorschläge zu angemessenen Bezügen (höher als jetzt) und angemessenen Pensionen (deutlich niedriger als jetzt)? Das könnte Ihre Glaubwürdigkeit beim Wähler verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Greb
Sehr geehrter Herr Greb,
vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de. Ich will versuchen, ein paar Punkte zu klären.
1.: Die steuerfreie Kostenpauschale dient nicht dazu, das Einkommen der Abgeordneten zu erhöhen, sondern dient dazu, die Kosten zu decken, die allein durch das Mandat entstehen. Dies sind z. B. sehr hohe Fahrtkosten in einem Wahlkreis wie Hochtaunus-Oberlahn, in dem viele Orte kaum durch den Nahverkehr erreichbar sind. Ich fahre im Durchschnitt ca 40.000km im Jahr, so viel würde ich normalerweise nicht fahren, wenn ich noch beim Landratsamt des Hochtaunuskreises beschäftigt wäre.
Von der Pauschale bestreite ich zudem die Kosten für eine Zweitwohnung in Berlin, die ich auch nur habe, weil ich Abgeordneter bin. Hinzu kommen die Kosten für zwei Wahlkreisbüros in Bad Homburg und Limburg, die auch bezahlt werden müssen.
Ein nicht unerheblicher Posten sind zudem meine Spenden an sehr viele Vereine in meinem Wahlkreis. Ich werde zu viele Veranstaltungen wie Jubiläen oder ähnliches eingeladen und es wird erwartet, dass ich Spende leiste. Dies tue ich regelmäßig und vor allem gerne, weil ich die Arbeit unserer Vereine gut kenne und sehr schätze. Dafür gebe ich viel Geld aus und werde dies auch weiterhin tun.
Ich hätte keine Probleme damit, wenn das System von einer Pauschale auf eine genaue Abrechnung umgestellt würde. Ich weiß nur nicht, ob mein Fall für den Steuerzahler billiger wäre, denn ich habe tatsächlich hohe Kosten, die dann auch steuerlich geltend gemacht werden müssten. Insofern bin ich selbstverständlich bereit, ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen.
2. und 3.:
Es ist richtig, dass Abgeordnete auch einen weiteren Beruf ausüben dürfen. Es geht aber nicht darum, uns inhaltlich mit einem Richter zu vergleichen, sondern dies ist nur der Maßstab für eine Position mit ähnlichen Verantwortungen. Ich bitte Sie zudem zu bedenken, dass Richter in der Regel auf Lebenszeit ernannt werden, ähnlich wie Beamte. Dies gilt für Abgeordnete nun einmal gar nicht. Wenn man Pech hat, dann ist man sein Mandat wieder schnell los und ist im schlimmsten Fall auch arbeitslos wie viele andere Menschen. Insofern kann Richter und Abgeordnete nicht vergleichen. Außerdem kann ein solcher weiterer Beruf eine wichtige Rückkoppelung sein, um noch besser Kontakt mit den Bürgern zu halten.
Was die Altersversorgung angeht, so haben Sie sicherlich Recht, dass die Abgeordneten hier "schneller" sind. Sie haben aber auch in der Regel keine 30-40 Jahre Zeit um Ansprüche zu erwerben, sondern sind nur auf einige Jahre gewählt. Ich begrüße übrigens die Vorschläge, die hier Änderungen vorschlagen. Darüber kann man mit mir sehr gut diskutieren.
4.: Es ist richtig, dass man für den Beruf des Abgeordneten keine Qualifikation außer persönlichem Engagement und dem Willen zur politischen Gestaltung benötigt. Dies ist nun einmal kein "Studium", das man absolvieren kann. Dies gilt übrigens für nahezu alle politischen Ämter, die keine besondere Qualifikation voraussetzen. Auch der Bürgermeister, dem die Abgeordneten ja bei den Diäten gleichgestellt sein sollen, ist kein Lernberuf, sondern ein politisches Amt. Insofern geht Ihr Vergleich mit den Richtern fehl. Die Tatsache, dass das Lehrer ihre Pensionen durch das Mandat aufbessern, kann man ihnen nicht ankreiden, denn sie erhalten die Pensionen kraft ihres Mandates -- und nicht weil sie Lehrer im Bundestag sind.
Noch eine persönliche Bemerkung:
Ich glaube nicht, dass ich eine "persönliche Distanz" zu den Menschen in meinem Wahlkreis habe. Ich achte sehr genau darauf, was die Menschen mir erzählen und wo ihre Sorgen und Nöte liegen. Stets habe ich ein offenes Ohr dafür und man kann mich jederzeit anrufen -- auch am Wochenende, wenn andere frei haben. Ich habe die Stimmungen angesichts der aktuellen Diskussion über die Diätenerhöhung sehr genau wahrgenommen, auch wenn ich nicht immer alle Vorwürfe an Politiker und Bundestagsabgeordnete nachvollziehen kann oder gerechtfertigt finde. Gerade weil ich den Kontakt suche, gehe ich gerne zur sehr vielen Terminen in meinem Wahlkreis, weil die Leute mich dort ansprechen und mit mir reden wollen. Dies ist selbstverständlich für mich, aber dafür möchte ich nicht nur von Almosen leben. Ich habe auch stets die notwendige Transparenz gehabt und bin auch unangenehmen Fragen nicht ausgewichen. So möchte ich auch weiterhin verfahren, denn sonst würde ich an einem solchen Forum wie abgeordnetenwatch.de nicht teilnehmen.
Nun zu Ihrer eigentlichen Frage:
Ich selbst habe keine konkreten Vorschläge, wie die Diäten oder die Versorgungsbezüge geändert werden könnten. Aber ich halte das System, das jüngst von Nordrhein-Westfalen umgesetzt wurde, für einen sehr guten Anfang. Ich bin gerne bereit, meine Altersversorgung selbst zu tragen, wenn dies von mir verlangt wird. Dazu sollten das Bundestagspräsidium und die Fraktionen entsprechende Vorschläge unterbreiten, dann kann man darüber diskutieren und etwas Neues umsetzen. Sie laufen da bei mir offene Türen ein, solange die Debatte damit versachlicht wird. Glaubwürdigkeit entsteht durch Offenheit und ich denke, dass ich stets offen für Gespräche und Kritik bin. Wer das Gespräch mit mir sucht, wird auch eine ehrliche Antwort erhalten.
Wenn Sie dies wünschen, sind Sie herzlich eingeladen, mit mir ins Gespräch zu kommen und diskutieren. Gerne können wir uns in meinem Bad Homburger Wahlkreisbüro treffen, um offene Fragen persönlich zu klären.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Haibach