Frage an Holger Haibach von Dieter M. bezüglich Gesundheit
Hallo Herr Haibach !
Auch ich möchte eine Frage zur "Gesundheitsreform" stellen.
Mein Internist hat mir ausführlich dargelegt, wieviel er an einem Kassenpatienten verdient. Und was in Zukunft, mit der auch von Ihnen unterstützten "Reform" ,auf ihn zukommt. Von den Patienten ganz abgesehen. Fakt ist, das die Abrechnung der Ärzte mit den Kassen völlig nebulös ist. Der Arzt kann niemals nachvollziehen, wie und warum er was von der Kasse bekommt.
Mein Internist, das glaube ich ihm auch, arbeitet wenn er alle Kosten abzieht für Praxis, Personal, Geräte usw. für ca. 6,50 EURO netto die Stunde. Er sucht jetzt eine Möglichkeit nach Skandinavien zu gehen. Dort bekommt er ein mehrfaches an Gehalt. Dadurch muß ich mir dann einen neuen Arzt suchen, die Angestellten einen neuen Job.
Nun meine Frage: Glauben Sie im ernst das diese Reform alles besser macht ? Das Ärzte und vor allem auch die Patienten besser gestellt werden als vor der Reform ?
Ich denke diese "Reform" kürzt nur die Leistungen. Oder glauben Sie das die"Rentenreform", arbeiten bis 67 , auch nur einen älteren Arbeitnehmer seinen Job bis 67 erhält ? Das ist eine klare Rentenkürzung zu Lasetn der jungen Generation !
Zum Schluß noch eine Frage an Sie persönlich: Als beurlaubter Lehrer dürften Sie ja privat versichert sein. Sie werden ja dann von dieser "Reform" weniger tangiert, oder ?
Mit freundlichem Gruß aus dem Hochtaunus
Dieter Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage zur Gesundheitsreform. Ich glaube nicht, dass diese Gesundheitsreform alles besser machen und sämtliche Probleme aus der Welt schaffen wird. Wer ist dies behauptet, ist realitätsfremd. Aber die Gesundheitsreform ist nach meiner Auffassung ein erster und zugleich wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um die Probleme zu lösen. Es gibt für dieses schwierige Thema kein Patentrezept. Dies kann niemand bieten, auch die Ärzte nicht. Gerade im Gesundheitswesen stoßen sehr viele Partikularinteressen aufeinander, die häufig völlig konträr sind.
Speziell für die Ärzte beinhaltet die Gesundheitsreform einige Punkte, die die Einkommenssituation stabilisieren und die Einnahmen kalkulierbarer machen sollen.
Nachfolgend daher einige Informationen, die die Änderungen erläutern. Mit der im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vorgesehenen Vergütungsreform werden die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Versorgung erheblich verbessert:
* Zentrales Ziel der Vergütungsreform ist, dass die
vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 grundsätzlich mit
den festen Preisen einer Euro-Gebührenordnung vergütet werden.
Damit erhöht sich die Kalkulierbarkeit des Honorars aus Sicht der
Ärzte erheblich. In der Euro-Gebührenordnung wird zudem ein
finanzielles Anreiz-System zum effizienten Abbau von Über- und
Unterversorgung etabliert.
* Die Vorgaben zur Euro-Gebührenordnung und zu den sonstigen
Vergütungsregelungen werden weitgehend von der gemeinsamen
Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkasse auf Bundesebene im
Bewertungsausschuss gemacht, der dabei professionell durch ein
Institut unterstützt wird. Zukünftig soll es nicht mehr möglich
sein, diese Vorgaben auf regionaler Ebene zu unterlaufen, so dass
sichergestellt ist, dass die Regelungen flächendeckend umgesetzt
werden.
* Wie bereits mit dem GMG geplant, werden zudem die bisherigen
Budgets abgelöst und das Morbiditätsrisiko - Ausgabensteigerungen
aufgrund einer erhöhten Krankheitshäufigkeit der Versicherten -
auf die Krankenkassen übertragen: Das bedeutet, dass die Kassen
zukünftig mehr Geld zur Vergütung bereit stellen, wenn der
Behandlungsbedarf ansteigt oder Leistungen aus dem stationären in
den ambulanten Bereich verlagert werden. Die Kassen vergüten auch
den Kostenanstieg der Praxen, der nicht durch
Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeglichen werden kann. Diese
Honorarsteigerungen werden nicht mehr durch den Grundsatz der
Beitragssatzstabilität "gedeckelt". Künftig entrichten damit
diejenigen Kassen, deren Versicherte einen relativ höheren
Behandlungsaufwand aufweisen, höhere Honorarsummen an die KVen.
Zwischen den Kassen wird somit eine leistungsgerechte Aufteilung
der finanziellen Lasten erreicht und das Problem der
Honorarverluste bei Mitgliederwanderungen wird gelöst.
* Zudem bietet die Gesundheitsreform Krankenkassen und Ärzten die
Möglichkeit, im Rahmen des vorgesehenen Vertragswettbewerbs
zeitnah und flexibel spezifische Angebote zur Erfüllung besonderer
Versorgungsbedürfnisse von Patientinnen und Patienten zu gestalten
(z.B. hausarztzentrierte oder integrierte Versorgung). Daraus
können sich eine Reihe von Chancen für die an innovativen
Versorgungsformen beteiligten Ärzte ergeben.
Im Übrigen glaube ich, dass alle Beteiligten erst einmal abwarten sollten, wie sich die Gesundheitsreform konkret auswirkt. Erst wenn man einigen Monaten verlässliche Daten und Berichte vorliegen, kann erwogen werden, weitere Änderungen vorzunehmen.
Was die Rentenreform angeht, so ist diese leider aufgrund unserer demografischen Entwicklung sowie der Situation auf dem Arbeitsmarkt unerlässlich. Solange das System so ist, dass die aktiven Beitragszahler für die Renten aufkommen, muss sichergestellt sein, dass eine genügende Zahl von Beitragszahlern auch berufstätig ist. Die hohe Arbeitslosigkeit der letzten Jahre hat leider große Löcher in die Rentekassen gerissen, die erst langsam wieder geschlossen werden. Den Beitragszahlern ist nämlich eine Erhöhung auch kaum zuzumuten. Die von Gewerkschaften verbreitete Panik wegen der Anhebung auf 67 halte ich für völlig verfehlt, denn viele Menschen sind heute noch gar nicht davon betroffen.
Man muss nämlich sehen, dass wir erst im Jahr 2012 ganz langsam, mit einem Monat länger arbeiten pro Jahr, beginnen. Das heißt, von heute aus in 16 Jahren, im Jahr 2023, haben wir dann ein gesetzliches Renteneintrittsalter von 66 Jahren. Und dann geht es etwas schneller. Von heute aus in 22 Jahren, im Jahr 2029, haben wir ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren. Und bis dahin wird der Arbeitsmarkt ein völlig anderer sein als heute. Die Älteren werden in 22 Jahren noch viel mehr gebraucht als heute.
Hinzu kommt, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden und länger leben. Auch diese Kosten für den längeren Rentenbezug müssen abgefangen werden, wenn jeder noch eine vernünftige Rente bekommen sollen. Weiterhin haben wir das Problem, dass in Deutschland zu wenige Kinder geboren werden. Derzeit haben wir zu viele Arbeitslose und wenige offene Stellen -- eine sehr ungute Situation! In wenigen Jahren werden wir aber bald das umgekehrte Problem haben: Dann gibt es zu wenige arbeitsfähige Menschen und sehr viele Rentenbezieher. Wie sollen Sie dieses Problem lösen? All diese Faktoren müssen nach derzeitigem Stand dazu führen, dass die Menschen länger arbeiten, um das bestehende Rentensystem aufrecht zu erhalten.
Ich bin übrigens kein "beurlaubter Lehrer", obwohl ich auf Lehramt studiert habe. Ich war als Büroleiter des früheren Landrats des Hochtaunuskreises Angestellter im Öffentlichen Dienst, bin aber nicht mehr im Öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Privaten Krankenversicherer haben auch eine Reihe von Änderungswünschen herangetragen, da auch sie mit Teilen der Gesundheitsreform nicht einverstanden waren. Insofern steht nicht zu befürchten, dass Privatpatienten durch die Reform gegenüber Kassenpatienten noch weiter bevorzugt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Haibach