Frage an Holger Haibach von Zinon H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Haibach,
meine Fragen an sie lauten:
1. Warum wird der Bundespräsident nicht vom Volk gewählt?
Da viele CDU-Politiker in diesem Forum eine ziemlich standardisierte Antwort geben, möchte ich hier noch einige Sachverhalte hinzufügen:
Auf einer gestrigen Pressekonferenz hat Bundeskanzlerin Merkel davon gesprochen, dass eine Direktwahl des Bundespräsidenten den "deutschen Staatsaufbau massiv verändern" und "eine Machtverschiebung von Kanzler zu Präsident" herbeiführen würde.
2. Wieso denn?
Die Aufgaben des Bundespräsidenten sind im Grundgesetz ganz klar festgelegt; sie würden sich auch gar nicht ändern, sofern der Bundespräsident nur vom Volk gewählt werden würde und seine Kompetenzen gleich bleiben. Denn wenn selbst der wiedergewählte Bundespräsident Horst Köhler eine Direktwahl öffentlich fordert, scheint dies doch im Bereich des Möglichen zu liegen. Außerdem hätte dies nur Vorteile, weil dann der Bundespräsident durch das Volk legitimiert wäre, so wie sie und alle anderen Bundestagsabgeordneten.
Weiterhin finde ich die Zusammensetzung dieser sogenannten "Bundesversammlung" undemokratisch.
Diese setzt sich zur Hälfte aus Vertretern des Bundestages zusammen und zur Hälfe aus Bürgern, die von den Länderparlamenten entsandt werden., wie sie mit Sicherheit wissen.
Bei der Wahl letzten Samstag wurde z.B. Sven Fischer von Ihrer Partei zur Wahl in die Bundesversammlung geschickt.
3. Was macht die Stimme dieser Sportgröße denn wertvoller als die eines jeden anderen Bürgers? Weil sie eine Prominente ist?
Tut mir sehr leid, aber die Tatsache von meiner dritten Frage hat etwas vom alten preußischen Drei-Klassen-Wahlrecht.
Ich bitte sie meine Argumente bei der Begründung Ihrer Antwort zu berücksichtigen und warte gespannt auf diese
Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Heck,
vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de.
Der Bundespräsident/die Bundespräsidentin wird nicht vom Volk gewählt, weil das Grundgesetz in seiner gültigen Fassung dafür allein die Bundesversammlung vorsieht. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben dies bewusst so entschieden, weil sie den Bundespräsidenten/die Bundespräsidentin aus dem politischen Alltag und einem Wahlkampf heraus halten wollten. Sie wollten damit ganz bewusst ein Gegengewicht zu dem früheren Reichspräsidenten schaffen, der auch politische Funktionen wahrnehmen konnte. Der Bundespräsident/die Bundespräsidentin ist als Staatsoberhaupt vor allem für repräsentative Funktionen vorgesehen. Die Erfahrungen der letzten 60 Jahre haben diese Entscheidung nach meiner Auffassung sehr gut bestätigt, während der vom Volk gewählte Reichspräsident in der Weimarer Republik zunehmend zu einer Art „Ersatzkaiser“ wurde, was so nicht vorgesehen war. Daher plädiere ich dafür, an der jetzigen Konstruktion festzuhalten. Es sei nur an den unseligen Art. 48 WRV errinnert, dem Reichspräsident ein Notverordnungsrecht zugestand, dass im Laufe der Jahr zu einem Regierungsinstrument wurde.
Ich kann auch nicht erkennen, dass die Bundesversammlung „undemokratisch“ ist, denn sie setzt sich aus Mitgliedern des Bundestages und von den Landtagen gewählten Vertretern der Länder zusammen. Es handelt sich damit also auch um gewählte Personen. Wen die Landtage wählen ist, allein deren Sache. Darauf habe ich überhaupt keinen Einfluss und bin auch nicht berechtigt, die Auswahl der Personen zu kritisieren. Ich empfehle Ihnen daher, sich an Ihren Landtagsabgeordneten zu wenden und dort Ihre Kritik vorzutragen.
Ihr Vergleich zum Preußischen Drei-Klassen-Wahlrecht ( http://de.wikipedia.org/wiki/Dreiklassenwahlrecht ) hinkt doch sehr. Dieses Wahlsystem war ein reines Zensurwahlrecht und orientierte sich am Steueraufkommen des Wählers und hat überhaupt nichts mit der Wahl von Personen für die Bundesversammlung zu tun. Hier gilt nicht, wer wie viel verdient, sondern bei der Auswahl der Delegierten haben die Landtage andere Maßstäbe.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Haibach