Stimmen Sie für ein AfD-Verbot?
an dieser Stelle zunächst einmal vielen Dank für Ihre Frage, die nicht nur brandaktuell ist, sondern mich als Abgeordneter aus Thüringen verständlicherweise besonders umtreibt.
Gerade deshalb möchte ich zuallererst ganz klar und deutlich sagen: Ich verachte die AfD mit ihrer menschenverachtenden; völkischen und faschistischen Ideologie zutiefst und sehe den demokratischen Kampf gegen diese Feinde unserer parlamentarischen Demokratie und unseres Landes als eine der wichtigsten Aufgaben an, der wir derzeit gegenüberstehen.
Zunächst gilt es jedoch die Erwartungen an ein Parteienverbot realistisch zu gestalten:
Mit einem Verbot ändert man nichts an der Einstellung derjenigen Wählerinnen und Wähler, die die AfD aus ideologischer Überzeugung heraus gewählt haben.
Auch werden sich die AfD, ihre Funktionär:innen und Ihre überzeugten Mitläufer im Zuge eines solchen Prozesses und (bei Erfolg) auch danach in einer fabulierten Opferrolle suhlen, die Ihnen als geistige Brandstifter unserer Gesellschaft absolut nicht zusteht. Ob und inwieweit zudem derzeit bestehende und einsehbare Strukturen in den Untergrund verschwänden, ist unklar. Auch, ob sich nach einem Verbot Teile der rechtsradikalen Bewegung in unserem Land weiter radikalisieren würden ist nicht klar.
Ob und inwieweit der Verfassungsschutz, dessen Faktensammlung für ein Verbot der AfD unerlässlich ist, die AfD-Bundespartei als rechtsextremistischen Verdachtsfall einordnen darf oder nicht - diese Entscheidung liegt derzeit indirekt beim Bundesverwaltungsgericht, welches von der AfD nach ihrer Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens angerufen wurde. Entscheidet dieses Gericht gegen die AfD, kann der Verfassungsschutz in dieser Sache seine Arbeit aufnehmen und entsprechend agieren. Am Ende dieser Bemühungen steht dann, so erwarte zumindest ich es, ein Berg an Begründungen, weshalb jene Partei verboten werden sollte. Mit diesem Berg kann und sollte man dann ein Parteienverbotsverfahren einleiten. Auch wenn die AfD-Landesverbände alle (!) rechtsextreme Verdachtsfälle sind (in Sachsen, Sachsen-Anhalt und in Thüringen ist die Partei sogar gesichert rechtsextrem), so lässt sich dies nicht einfach so 1:1 auf die Bundesebene übertragen.
Sollte also das Verbotsverfahren der Bundespartei, wegen fehlender, beziehungsweise nicht hinreichender Beweise, vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, würde dies die AfD fälschlocherweise als demokratische Partei legitimieren und zugleich zukünftige Verbotsverfahren entweder deutlich erschweren oder direkt unmöglich machen.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass ein solches Verfahren sehr gut, gründlich und sorgfältig vorbereitet werden muss, auch wenn dies letztlich bedeutet, dass diese Partei und ihre Mitglieder bei der kommenden Bundestagswahl (hoffentlich dann zum letzten Mal) werden antreten dürfen.
Grundsätzlich bin ich stark für ein Verbot von Parteien, die sich nicht mehr auf grundgesetzlicher Ebene bewegen und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass dies bei der AfD der Fall ist. Aufgrund der genannten Gründe halte ich das Einleiten eines Verbotsverfahrens zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht und kann diesem noch nicht zustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Holger Becker MdB