Frage an Hilde Mattheis von Wolfgang R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Mattheis!
Ich war mal begeistert von Martin Schulz und wollte die SPD wählen. Leider hat ein Bericht in der Sendung von Report Mainz am 30.5. über das Kassieren von hohen und ungerechten Aufwandsentschädigungen von den EU-Parlamentariern „ http://www.ardmediathek.de/tv/REPORT-MAINZ/EU-Parlamentarier-kassieren-hohe-Aufwand/Das-Erste/Video?bcastId=310120&documentId=43197704 “ meine Beurteilung von ihm umgedreht, weil er keine Antwort zu dem Thema gegeben hat. Darf so eine Person Bundeskanzler werden? Ich bin dagegen. Könnten Sie mir plausible Gründe dafür geben, welche das Verhalten rechtfertigen?
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Frage.
Der Sachverhalt, der in dem Beitrag angesprochen wird, wird leider von Report Mainz etwas verkürzt und polarisierend dargestellt. Das unterliegt der journalistischen Freiheit der Macher, unterschlägt aber einige Fakten. Eine Aufwandspauschale für die Wahlkreisarbeit gibt es nicht nur im Europäischen Parlament, sondern auch im Bundestag und in den Landesparlamenten. Diese Pauschale dient den Abgeordneten dazu, neben der Miete für das Wahlkreisbüro, die im Beitrag thematisiert wird, auch alle anderen Bürokosten zu erstatten, d.h. die gesamte IT eines Büros (Computer, Drucker, Telefon), Büromaterial inklusive Portokosten, Druckerpapier, Zeitungsabonnements und Benzinkosten für Fahrten, die zur Ausübung des Abgeordnetenmandats erfolgen. Die Bundestagsabgeordneten bezahlen von diesem Geld zudem die Miete für eine Zweitwohnung in Berlin. Möglicherweise gilt gleiches für eine Wohnung der Europaabgeordneten in Brüssel oder Hotel in Straßburg.
Diese Kosten müssten also thematisiert und einbezogen werden, wenn die Höhe der Pauschale kritisiert wird. Hierbei ist zu beachten, dass die Pauschale natürlich die Preisunterschiede in der Miethöhe ausgleichen muss, d.h. ein EU-Abgeordneter aus Paris oder ein Bundestagsabgeordneter aus der Münchener Innenstadt müssen dafür deren Büro genauso bezahlen können wie jener von der mecklenburgischen Seenplatte. Die Miethöhe für eine Gewerbefläche dürfte aber sehr verschieden sein. Wenn aber nicht mit jedem Abgeordneten eine individuelle Zahlung vereinbart werden sollte, braucht es also eine Pauschale, die auch in hochpreisigen Regionen die Anmietung eines Wahlkreisbüros ermöglicht. Was an der Stelle natürlich problematisch ist, ist die Anmietung im eigenen Haus. Das wird in dem Beitrag an verschiedenen Beiträgen lang thematisiert, hat allerdings nichts mit Martin Schulz zu tun, der offenbar sein Wahlkreisbüros ordnungsgemäß bezahlt hat.
Die Frage, um die sich der Beitrag am Ende dreht, ist die der Kontrolle der Ausgaben. Hier kann ich leider nicht sagen, was das Europäische Parlament sich selbst an Kontrolle und Reformen in Auftrag gegeben hat. Ich kann daher auch nicht einschätzen, ob Martin Schulz als Präsident des Parlaments eine Reform verzögert oder behindert hat. Das wird im Beitrag zwar behauptet, aber nicht nachgewiesen. Hier wäre die Frage, ob es Anträge aus den Reihen des Parlaments zu der Frage gab. Es wird im Beitrag von einer Blockade im Präsidium des Parlaments gesprochen. Im Präsidium sitzen der Präsident des Parlaments und die stellvertretenden Vorsitzenden, eine oder einer von jeder Fraktion, also auch von den Linken, die im Beitrag als Kritiker auftreten. Es wird aber nicht dargelegt, warum in diesem Gremium keine Reform angeschoben wurde, ob Martin Schulz dafür zuständig war oder einer seiner StellvertreterInnen. All das wurde entweder nicht recherchiert oder nicht im Beitrag gezeigt, wäre aber wichtig zu wissen, um den Fall einschätzen zu können.
Generell fände ich eine höhere Transparenz und Kontrolle der Ausgaben mit dieser Pauschale sinnvoll. Die Frage ist, wie sie genau bewerkstelligt werden kann, um dem berechtigten Anliegen der Bevölkerung und der Öffentlichkeit gerecht zu werden und gleichzeitig eine lähmende Bürokratie im Arbeitsalltag zu vermeiden. Damit meine ich, dass die Kontrolle über Kostenabrechnungen für jeden einzelnen Kugelschreiber der 750 Europaabgeordneten oder der 630 Bundestagsabgeordneten die Verwaltung des Parlaments überfordern würde. Daher müsste geprüft werden, ob bspw. größere Ausgabenkosten wie die Miete von der Verwaltung überprüft werden und anderes nicht. Es könnte auch überprüft werden, ob die Anmietung des eigenen Wohnhauses verboten wird.
Der Beitrag spricht damit einen Sachverhalt an, der zweifellos im Europäischen Parlament geklärt werden müsste. Er sagt für mich aber nichts über die Eignung von Martin Schulz (oder Angela Merkel) als Kanzler aus. Dafür halte ich politische Ideen, Zielvorstellungen und Wahlprogramm für sehr viel entscheidender.
Mit freundlichen Grüßen
Hilde Mattheis, MdB