Frage an Hermann Ott von Johanna G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Dr. Ott,
mich würde interessieren wie Sie zu elternunabhängigem Bafög stehen und ob Sie vor haben, sich für die Förderung von Kulturprojekten einzusetzten, statt sie noch weiter abzubauen.
Sehr geehrte Frau Göbel,
vielen Dank für Ihre beiden Fragen! Bildungs- und Hochschulpolitik liegen mir sehr am Herzen, denn die Förderung junger Menschen ist eine wichtige Investition in unsere Gesellschaft und eine bedeutende Voraussetzung für Selbstbestimmung, Teilhabe und freie Entfaltung. Auch die Kulturpolitik bildet ein wichtiges Fundament für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und braucht deshalb eine wesentlich stärkere Aufmerksamkeit!
Zu Ihrer ersten Frage: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Bildung jedem offensteht. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat es jedoch nicht geschafft, diese Chancengleichheit zu ermöglichen: Von 100 Kindern aus Nicht-Akademiker-Familien schaffen es nur 23 an die Hochschule. Bei Kindern aus Akademiker-Familien sind es 77. Die soziale Herkunft, nicht Interesse oder Begabung, bestimmen in Deutschland weiterhin über den Hochschulzugang. Wichtigste Aufgabe in der Hochschulpolitik wird es deshalb sein, dass wir vor allem diejenigen unterstützen, die sich bislang aus finanziellen Gründen gegen ein Studium entscheiden. Deswegen setze ich mich mit meiner Fraktion nicht nur für mehr Studienplätze, bessere Studienbedingungen, eine höhere Qualität der Lehre und verlässliche Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, sondern auch und vor allem für eine bessere finanzielle Unterstützung der Studierenden, denn die Angst vor den Kosten hält zu viele Menschen von einem Studium ab.
Dafür wird das BAföG weiterentwickelt. Wir wollen zuerst die Fördersätze und Freibeträge erhöhen und den Darlehensanteil von derzeit 50 Prozent vermindern. Damit steigt zugleich der BAföG-Anteil, der als Zuschuss gezahlt wird. Die maximale Verschuldungshöhe, die jetzt bei 10.000 Euro liegt, wird schrittweise abgesenkt. Zudem soll das BAföG familienfreundlicher und weniger bürokratisch zu erhalten sein.
Mittelfristig wollen wir aber noch weiter gehen und das bisherige BAföG-System durch ein Zwei-Säulen-Modell mit zwei Vollzuschüssen ersetzen und damit die Elternunabhängigkeit stärken. Die erste Säule umfasst einen einheitlichen Vollzuschuss, der allen Studierenden elternunabhängig zugute kommt. Damit wird allen Studienberechtigten ein Anreiz geboten, um tatsächlich ein Studium aufzunehmen. Die zweite Säule ist bedarfsorientiert und besteht aus einem weiteren Vollzuschuss, der sich nach dem Bedarf der Studierenden richtet und damit als starke soziale Komponente vor allem Studierenden aus einkommensschwachen Elternhäusern zukommt. Beide Zuschüsse müssen – anders als das jetzige BAföG – nicht zurückgezahlt werden.
Zu Ihrer zweiten Frage: In der Kulturpolitik gibt es viele Baustellen, dazu gehört nicht zuletzt die problematische Lage der kulturellen Infrastruktur, die oft in finanzieller Verantwortung der Kommunen und Länder liegt. Die Merkel-Regierung hat durch eine verfehlte Steuerpolitik erreicht, dass die Spielräume vor Ort immer enger werden. Zudem hat der Bund immer mehr Aufgaben an die Kommunen übertragen, aber keine finanziellen Mittel dafür zur Verfügung gestellt. Die Haushaltslage in vielen Kommunen ist deshalb oft katastrophal. Finanzierung und Förderung von Kunst und Kultur ist eine sogenannte Freiwillige Leistung. Entsprechend werden die Haushaltsmittel in den Kommunen vor allem in diesem Bereich gestrichen. Bundesweit mussten deshalb kulturelle Institutionen schließen, Projekte wurden eingestampft. So kann es nicht weitergehen! Für uns GRÜNE sind Kunst und Kultur ein Menschenrecht. Kulturförderung muss zu einer kommunalen Pflichtaufgabe werden. Wir GRÜNE haben uns dabei immer stark gemacht für die sog. „freie Szene“. Es darf nicht sein, dass überwiegend sog. „Hochkultur“ wie Opern- und Schauspielhäuser, Symphonieorchester und Bibliotheken gefördert werden, sondern auch Avantgarde-Projekte, kulturelle Bildungsprojekte usw.. Ich setze mich deshalb mit meiner Fraktion dafür ein, dass der Bund wieder mehr Verantwortung bei der Finanzierung der Kulturpolitik übernimmt. Momentan ist der Bund nur für 13 Prozent der staatlichen Kulturausgaben zuständig – und zwar nur da, wo es eine „gesamtstaatliche Bedeutung“ gibt. Diese ist allerdings nicht definiert und das werden wir ändern! (Zum Beispiel gibt es einen Bundeszuschuss in Millionenhöhe für die Wagner-Festspiele in Bayreuth aber keinen Zuschuss für das weltweit gefeierte Tanztheater von Pina Bausch.) Wir fordern deshalb die Einführung eines transparenten Kriterienkatalogs für eine fairere Förderungspraxis von Bundesseite und möchten die Kulturpolitik damit wieder auf eine solide finanzielle Basis setzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Dr. Hermann Ott