Frage an Hermann Ott von Max M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Kandidat,
in Wuppertal sind viele Menschen von Altersarmut betroffen. Im Stadtbild tauchen immer mehr Menschen auf, die im Müll nach Verwertbarem suchen. Vor den Tafeln bilden sich lange Schlangen. Welche Ansätze verfolgen Sie, um die grassierende Armut zu stoppen?
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage. Antworten auf Armut in unserer Gesellschaft zu finden bedeutet immer, sich mit einem der zentralen Themen der Politik auseinander zu setzen: mit der sozialen Gerechtigkeit in diesem Land – ein Thema, das der schwarz-gelben Bundesregierung aber offenbar herzlich egal ist, wenn Sie beispielsweise daran denken, wie sehr sich die Koalition gegen eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes sträubt oder wie sie die Debatte um einen allgemeinen und flächendeckenden Mindestlohn torpediert. So kann es nicht weiter gehen!
Das Thema ist vielschichtig und komplex – lassen Sie mich versuchen herauszustellen, worauf es meiner Ansicht nach ankommt, um bestehende Armut abzubauen, Armutsgefährdung zu vermeiden und damit einen neuen sozialen Ausgleich zu erreichen.
Fangen wir ganz vorne an: Prävention ist die beste Strategie in der Armuts- und Arbeitsmarktpolitik. Wir brauchen mehr Geld für bessere Bildung, bessere Zugänge zum Arbeitsmarkt und mehr Jobs, um zu erreichen, dass Arbeitslosigkeit und Armut erst gar nicht entstehen. Insbesondere ältere Menschen haben Probleme, einen Job zu finden – hier müssen wir ran und für bessere Chancen sorgen! Wer bereits unter Armut leidet, braucht bessere Lebensbedingungen und neue Perspektiven, um sie wieder zu verlassen. Wir wollen das Arbeitslosengeld II von derzeit 382 Euro auf 420 Euro erhöhen und jährlich mit den Sozialverbänden überprüfen. Das Klein-Klein der schwarz-gelben Bundesregierung muss endlich ein Ende haben. Arbeitssuchende Menschen wollen wir zusätzlich unterstützen, indem wir von der Kultur des Misstrauens im Job-Center wegkommen: Schematische Fallbearbeitungen müssen der Vergangenheit angehören; Sanktionen für Menschen unter 25 Jahren, die dadurch ihre Wohnung verlieren könnten, wollen wir sofort abschaffen, alle weiteren Sanktionen müssen auf den Prüfstand und werden ausgesetzt, solange sie nicht neu geregelt sind. Wir brauchen endlich eine qualifizierte, individuelle und umfassende Zusammenarbeit, bei der die Arbeitssuchenden und Ihre Ideen im Mittelpunkt stehen. Es geht darum, die Rechte der Arbeitssuchenden und ihrer Angehörigen zu verbessern – sie müssen zwischen Maßnahmen wählen können, ihren AnsprechpartnerInnen vertrauen können und eigene Ideen einbringen dürfen, auch im Bereich des ehrenamtlichen Engagements. Ich finde, die Grundsicherung muss sich grundlegend neu orientieren: Der Wunsch nach Arbeit und die Motivation eines Menschen müssen gefördert werden – Sanktionen und Strafen sind dabei keine guten Mittel, wir müssen mehr fördern und weniger fordern! Wie Sie vielleicht wissen, setze ich mich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Das ist vor ein paar Jahren in meiner Partei knapp gescheitert – aber wir bleiben dran und werden immer mehr!
Auch auf dem Arbeitsmarkt selbst brauchen wir Veränderungen, weil die bisherigen Entwicklungen ebenfalls zu Armut führen können. Ein allgemeiner und flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro ist nötig, um Lohndumping und Altersarmut zu vermeiden. Außerdem muss gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – Frauen dürfen beispielsweise nicht schlechter verdienen als Männer, das muss doch selbstverständlich sein!
Sie sprechen noch ein weiteres Thema an: Auch nach einem langem Arbeitsleben muss man in Deutschland leider immer noch befürchten, den Lebensabend unter der Armutsgrenze zu verbringen, weil die Rente zu niedrig ist. Selbst die Bundesregierung erkennt, dass immer mehr Menschen Grundsicherung im Alter benötigen werden – das ist menschenunwürdig! Ich setze mich deshalb mit meiner Partei für eine Garantierente ein: Wer 30 Jahre rentenversichert war, bekommt mindestens eine Rente von 850 Euro. Das heißt auch, dass wir die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung ausbauen werden. Statt einer berufsständisch gegliederten Arbeiterversicherung brauchen wir heute eine universelle Bürgerversicherung, in der grundsätzlich für alle Bürgerinnen und Bürger gleiche Regelungen, Rechte und Pflichten gelten. Unser Ziel ist es, dass darin erstens alle und zweitens alle in der gleichen Art und Weise abgesichert sind – so schaffen wir ein echtes solidarisches System.
Ich möchte zum Schluss auch noch auf unsere Programmlage zum Thema „Soziale Stadt“ hinweisen: denn das Thema Armut ist nicht nur eine Frage des Geldes, das jedem zur Verfügung steht. Es ist auch eine Frage der Teilhabe an gesellschaftlichem Leben. Wir wollen die Mittel für die Städtebauförderung, ins¬besondere für die Programme Soziale Stadt, Stadtumbau und Denkmalschutz, mittelfristig erhöhen. Denn diese Programme sind seit 40 Jahren ein wichtiges Instrument zur Erneuerung unserer Städte, um das uns viele Länder beneiden. Die Initiative „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ wollen wir neu beleben und weiterentwickeln. Die Mittel des Europäischen Strukturfonds sollen ab 2014 verstärkt für die ökologisch-soziale Stadtentwicklung eingesetzt werden.
Grüne Städte leben von der Vielfalt in den Vierteln. Dafür stärken wir im Sinne der Sozialen Stadt die dauerhafte Teilhabe in heute benachteiligten Stadtteilen. Dafür brauchen wir die verbindliche Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Politikbereichen. Zusätzlich zu baulichen Maßnahmen sollen Aktivitäten wie Vernetzung, Bildung oder bürgerschaftliches Engagement gefördert werden. Außerdem koppeln wir Neubauprojekte an die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Wir wollen den gesetzlichen Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben neu regeln. Wenn Brachflächen, wie alte Kasernengelände, verkauft werden, sollen nachhaltige und stadtpolitische Faktoren berücksichtigt werden, damit nicht nur das Höchstgebot zählt.
Um diese Aufgaben vor Ort stemmen zu können, müssen die Kommunen entlastet werden. Durch die Bundespolitik der letzten Jahre, sind viele Aufgaben an die Kommunen übergeben worden, ohne entsprechende finanzielle Mittel zur verfügung zu stellen. Viele Kommunen sind pleite. Um hier wieder Handlungsspielraum zu bekommen, wollen wir einen Altschuldenfonds für überschuldete Kommunen einführen. Zudem gilt es, zukünftig das Konnexitätsprinzip streng einzuhalten. das bedeutet: wer die Musik bestellt, muss sie auch zahlen. Zusätzliche kommunale Aufgaben müssen gegenfinanziert sein!
Gute Arbeit, sichere Einkommen und klare Zukunftsperspektiven ohne Angst vor Armut sind unerlässlich für eine zufriedene, produktive und solidarische Gesellschaft. Dafür setze ich mich ein!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Dr. Hermann Ott