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Hermann Ott
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Manfred Z. •

Frage an Hermann Ott von Manfred Z. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Ott,

der Presse ist folgendes zu entnehmen:
Die Einrichtung eines lediglich neunköpfigen Sondergremiums für eilige oder vertrauliche Entscheidungen zur Euro-Rettung verstößt in weiten Teilen gegen das Grundgesetz, wie die Karlsruher Richter entschieden.

Meine Frage nun an Sie:
Warum haben sie diese Verfassungswidrigkeit nicht erkannt oder haben sich später der Klage vor dem BVG nicht angeschlossen.

Danke für Ihre Antwort.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Zins!

Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir als Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne haben in Karlsruhe gegen die unzureichende Beteiligung des Parlaments durch die Regierung bei den Entscheidungen zur Euro-Rettung geklagt. Das Bundesverfassungsgericht hat uns nun am 19. 06.2012 Recht gegeben. Die Bundesregierung wird in Zukunft den Deutschen Bundestag besser und umfassender beteiligen müssen - so wie es bereits in Artikel 23 Grundgesetz festgeschrieben ist.

Der Deutsche Bundestag muss als Vertretung des Volkes bei EU-Angelegenheiten angemessen beteiligt werden. Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten versucht diese Regelung bei den Verhandlungen zum ESM zum umgehen. Wichtige Unterlagen die ich und meine Kolleginnen und Kollegen für unsere Arbeit zum ESM benötigen, wurden uns von der Regierung nicht zur Verfügung gestellt. Mit der Begründung, beim ESM handele es sich nicht um eine EU-Angelegenheit sondern um einen völkerrechtlichen Vertrag, der in den Bereich der intergouvernementalen Zusammenarbeit fällt, wurde das Parlament teilweise außen vor gelassen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieser Einschätzung widersprochen.

Beim ESM hat sich die Grüne Bundestagsfraktion für starke Parlamentsrechte eingesetzt. Unser Prinzip lautet: Keine Entscheidung ohne parlamentarische Mitbestimmung! Der Deutsche Bundestag muss zweimal zustimmen bevor ein Land unter den Rettungsschirm schlüpfen darf: Die Parlamentarier müssen im ersten Schritt zustimmen, dass einem Mitgliedsstaat grundsätzlich geholfen werden soll und dann in einem zweiten Schritt die detaillierten Bedingungen der Hilfe annehmen. Auch eine mögliche Erhöhung des Volumens des ESM oder eine Änderung der Hilfsinstrumente unterliegt der vorherigen Zustimmung des Plenums.

Ich begrüße ebenfalls die von Ihnen angesprochene Entscheidung des BVG, dass wichtige Entscheidungen zur Euro-Rettung im Regelfall nicht in die Entscheidungsrunden eines kleinen Sondergremiums verlagert werden dürfen.

Diese Urteile betonen die Bedeutung des Parlaments im politischen Prozess. Die Bewältigung der derzeitigen Krise in der Eurozone kann nach meiner Überzeugung nur durch ein Hand in Hand von nationalen Parlamenten und europäischer Ebene gelingen. Mit gemeinsamer europäischer Anstrengung sollten wir versuchen unser Wirtschafts- und Finanzsystem auf neue, nachhaltige Grundpfeiler aufzubauen. Ein „mehr“ an Europa, und zwar einem bürgerfreundlichen, sozialen und ökologischen Europa, muss dabei das Ziel sein. Dieses Ziel kann gar nicht durch Alleingänge der Regierungen erreicht werden, sondern muss auch durch die Volksvertreter aktiv vorangetrieben werden. Hierin sehe ich eine wichtige Aufgabe meiner politischen Arbeit.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hermann Ott