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Herbert Schulz
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Frage von Nina C. •

Frage an Herbert Schulz von Nina C. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Herr Schulz,

eine Frage, die mich besonders interessiert ist: Was habe ich als Selbständige von der Linken zu erwarten? Oft habe ich das Gefühl, dass wir Selsbtändigen (in meinem Fall: Freelancer im Bereich IT/Medien) von der Politik generell nicht wahrgenommen werden und so oft von unmöglichen Regelungen betroffen sind. Wir passen also nicht in das Standard-Schema Arbeitgeber oder Arbeitnehmer.
Für die einen sind wir immer die armen Schlucker (Vermieter, Banken, etc.) und für die anderen die reichen Säcke (Krankenkassen, Finanzamt, etc.). Je nach dem, wo es gerade am besten passt.
Für mich ist die Selbständigkeit die optimale Arbeitsform, da ich sehr unterschiedliche Leistungen für die verschiedensten Kunden anbiete (und monotone Arbeit sowieso nur schwer ertrage) und würde gerne noch so lange es geht selbständig weiterarbeiten.

Viele Grüße,

Nina

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Cording,

vielen Dank für ihre Frage, die ich gern beantworte.

Wir sagen immer wieder, dass für uns die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Erwerbslosen sowie der Rentnerinnen und Rentner Ausgangspunkt unserer programmatischen Überlegungen sind. Allerdings verschließen wir nicht die Augen vor der Tatsache, dass die Zahl der Selbstständigen, insbesondere die der so genannten Solo-Selbstständigen ständig zunimmt und dass die Arbeit als Selbstständige/r für viele die angemessene Arbeits- und Lebensweise darstellt.

Die Anzahl der Selbständigen ist seit den 1990er Jahren kontinuierlich angestiegen - im Zeitraum von 1998 bis 2008 von 3,6 auf 4,1 Millionen. Der Anstieg ging zuletzt fast ausschließlich auf den Anstieg von Selbstständigen ohne Beschäftigte („Solo-Selbstständige“) zurück. Seit Beginn des Jahrtausends gibt es mehr Solo-Selbstständige als Selbstständige mit Beschäftigten. Dabei sind die Einkommen von Selbstständigen sehr unterschiedlich. Einer Gruppe sehr gut verdienender Selbstständiger stehen knapp 30 Prozent gegenüber, die weniger als 1.100 Euro pro Monat an Nettoeinkommen haben.

Vor diesem Hintergrund ist unserer Ansicht nach eines der großen Probleme die mangelnde soziale Absicherung der Selbstständigen.

Die Tradition des deutschen Sozialversicherungssystems ging davon aus, dass Selbstständige auch ihre soziale Absicherung selber regeln (können). Diese Annahme entspricht nicht (mehr) der sozialen Realität: Auch Selbstständige brauchen den Schutz durch leistungsfähige soziale Sicherungssysteme. Dabei gilt für uns grundsätzlich: Nur öffentliche und umfassende Sozialversicherungen können soziale Sicherheit garantieren - nicht Banken oder Versicherungskonzerne. Die soziale Absicherung von Selbstständigen ist heute in doppelter Weise korrekturbedürftig. Selbstständige dürfen nicht aus den gesetzlichen Sicherungssystemen ausgeschlossen werden. Sie müssen zu akzeptablen Bedingungen Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bekommen und im Gegenzug einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des sozialen Sicherungssystems leisten.

Für den Großteil der Selbständigen besteht bei der Alterssicherung und in der Arbeitslosenversicherung keine Sozialversicherungspflicht, obwohl sie vielfach ähnlich wie Arbeitnehmer/innen auf den „Verkauf“ ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Altersarmut und der soziale Absturz auf Hartz IV ist häufig vorgezeichnet, wenn -aus welchen Gründen auch immer- die Aufträge ausbleiben. Im Bereich Gesundheit und Pflege gibt es zwar eine Versicherungspflicht auch für Selbstständige; die Versicherungspflicht nimmt aber insbesondere bei Selbstständigen mit geringen Einkommen keine ausreichende Rücksicht auf das tatsächliche Einkommen. So verstehe ich auch ihren Hinweis auf die Krankenkassen und das Finanzamt.

Unsere Vorstellungen in aller Kürze:

In einem ersten Schritt wollen wir die bisher nicht obligatorisch für das Alter abgesicherten Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.

Kurzfristig sind außerdem Regelungen zu schaffen, die die Beiträge zur Krankenversicherung auch für Selbständige mit geringen Einkünften tragbar machen.

Perspektivisch werden alle Selbstständigen in die Zweige der Sozialversicherungssysteme (Rente, Gesundheit und Pflege, Arbeitslosenversicherung) einbezogen. Damit wird den Selbstständigen der gleichberechtigte Zugang zu den Leistungen der jeweiligen Systeme eröffnet, gesamtgesellschaftliche Solidarität zwischen den verschiedenen Gruppen organisiert und schließlich auch die finanzielle Basis der Sozialversicherungen gestärkt.

Die Beitragszahlungen müssen sich dabei zukünftig zeitnah an den tatsächlichen Einkommen orientieren; eine finanzielle Überforderung durch die Beiträge ist zu vermeiden.

Erwähnen möchte ich noch, dass unsere Vorschläge zu einer gerechten Reform der Einkommensteuer dazu führen würden, dass kleine und mittlere Einkommen zum Teil deutlich entlastet werden. Das trifft auf alle Steuerpflichtigen mit einem zu versteuernden Einkommen unter 6000 € im Monat (für einen einzelnen Steuerpflichtigen) zu, und ich gehe davon aus, dass diese Entlastung auch einer großen Zahl von Selbstständigen zugutekäme.

Ich hoffe, dass ich ihre Frage zufriedenstellend beantworten konnte und wünsche ihnen, dass sie noch lange in ihrem jetzigen Status als Selbständige weiter arbeiten können.

Und vielleicht kommt ja auch für sie diesmal DIE LINKE in Betracht, in der Wahlkabine, meine ich.

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Schulz