Frage an Herbert Schulz von Gerd H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Schulz
Mehr als ein Drittel der Bevölkerung gehört keiner Religionsgemeinschaft an, trotzdem gibt es immer noch einige gesellschaftliche Bereiche, in denen Konfessionslose benachteiligt oder offen diskriminiert werden.
Für Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft gilt ein eigenes Arbeitsrecht mit besonderen „Loyalitätspflichten“. So werden in „kirchlichen“ Krankenhäusern oder Altenheimen, obwohl diese in der Regel zu 100% aus den Sozialkassen finanziert werden, den Beschäftigten wichtige Grundrechte vorenthalten. Konfessionslose oder andersgläubige Ärztinnen, Altenpfleger oder Hausmeister finden dort keine Anstellung. In katholischen Einrichtungen kann sogar die Wiederverheiratung nach einer Scheidung zur Entlassung führen.
- Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dahingehend geändert wird (§ 9), dass in Sozialeinrichtungen, die von allen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden, Konfessionslose und Andersgläubige nicht länger diskriminiert werden können?
- Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Betriebsverfassungsgesetz dahingehend geändert wird (§ 118, 2), dass in Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft zukünftig dieselben Regelungen greifen wie in normalen Tendenzbetrieben (Medien, Parteien usw.)?
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr Heimann,
vielen Dank für ihre Frage, die in der Tat viele Menschen betrifft. Ich selbst bin getauft und konfirmiert, aber im Alter von 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten und seit dem bewusst nicht religiös. Meine Partei hat über die von ihnen angeschnittenen Fragen lange diskutiert, und unsere Aussagen im Wahlprogramm sind eindeutig. DIE LINKE verteidigt das Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion und tritt für den Schutz weltanschaulicher und religiöser Minderheiten ein, aber auch für eine strikte institutionelle Trennung von Staat und Kirche, was -nebenbei bemerkt- auch die Abschaffung der Militärseelsorge beinhaltet. In unserem Wahlprogramm heißt es weiter: “Grundrechte und ArbeitnehmerInnenrechte müssen auch in den Kirchen und Religionsgemeinschaften und in deren Einrichtungen Geltung haben, auch das Streikrecht und das Betriebsverfassungsgesetz. Durch kirchliche Arbeitgeber ausgeübte Diskriminierung von Beschäftigten aufgrund ihrer Lebensumstände oder ihrer Religion-bzw. Konfessionszugehörigkeit in Bereichen, die nicht unmittelbar der Religionsausübung dienen, muss gesetzlich verhindert werden.“ Auch wenn aufgrund von arbeitsrechtlichen Aktivitäten der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen und ihren Gewerkschaften die Rechtsprechung sich zu bewegen scheint und in letzter Zeit diese Thematik mediale Aufmerksamkeit bekommen hat, so ist es doch notwendig, durch gesetzgeberisches Handeln rechtliche Klarheit herzustellen. Der lapidare Satz, dass das Betriebsverfassungsgesetz in Einrichtungen von Religionsgemeinschaften keine Anwendung findet, ist nach meiner Auffassung mit der zitierten Position nicht vereinbar. Dass wir die Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung von Beschäftigten auf die unmittelbare Religionsausübung beschränkt wissen wollen, heißt im Umkehrschluss, dass sie sich nicht auf die konkreten Tätigkeiten zum Beispiel von Pflegekräften oder Erzieherinnen erstrecken darf. Vor diesem Hintergrund unterstütze ich die beiden von Ihnen vorgebrachten Anliegen und werde mich dafür einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Schulz