Frage an Herbert Schulz von Hans-Werner K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Schulz,
als seit 2003 tätiges bundesweites Netzwerk von lokalen Initiativen für den Erhalt der öffentlichen Wasserwirtschaft setzen wir uns für die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge ein. Wir haben im Juni die Abgeordneten des Deutschen Bundestags brieflich aufgefordert, die weitere gesetzliche Förderung sogenannter Öffentlich Privater Partnerschaften (ÖPP) zu stoppen. Brief und Anhang mit Argumenten gegen den angeblichen Vorzug von ÖPP-Projekten finden Sie auf unserer Internetseite http://www.wasser-in-buergerhand.de/index.htm . Daran anschließend bitten wir Sie, uns folgende Fragen zu beantworten:
- Haben Sie sich bereits mit laufenden ÖPP-Projekten und deren Bewertung, insbesondere der rechtlichen Risiko- und der langfristigen finanziellen Folgenabschätzung befasst? Wenn ja, wie beurteilen Sie die tatsächlich überprüften Ergebnissen und Bewertungen? Wenn nein, werden Sie sich künftig dem ÖPP-Thema widmen und mit welcher Grundorientierung?
- Sehen Sie in der bisher bei der ÖPP-Gesetzgebung (ÖPP-Beschleunigungsgesetz von 2005 und geplantes „ÖPP-Vereinfachungsgesetz“) geübten Praxis, die Gesetzestexte fast vollständig von Lobbygruppen vorformulieren zu lassen, wie wir eine demokratisch fragwürdige Privatisierung legislativer Arbeit und eine Aushebelung des für Parlamentarier verpflichtenden Gemeinwohlgedankens?
- Werden Sie sich dafür einsetzen, für bereits bestehende und in der Planung befindliche (lokale, regionale) ÖPP-Projekte volle Transparenz der Vertragsinhalte für die zuständigen politischen Gremien herzustellen und eine umfassende, von neutraler Stelle zu erarbeitende Kostenabschätzung auf echter Vergleichsbasis vorzunehmen?
- Sind Sie wie wir der Meinung, dass in diesem Sinne ein bundesweites, öffentlich zugängliches ÖPP-Register mit Nennung der Vertragspartner, der Finanzvolumina, der Laufzeiten und der in den Verfahren beteiligten Beraterfirmen angelegt werden sollte?
Mit freundlichen Grüßen
Wasser in Bürgerhand
Hans-Werner Krüger
Sehr geehrter Herr Krüger,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zunächst möchte ich sagen, dass ich persönlich und die LINKE insgesamt das Anliegen ihres Netzwerks voll und ganz unterstützen. Die Privatisierungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte zu stoppen und die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge (Energie, Wasser, Bildung Verkehr, Gesundheit etc.) wieder zu einer öffentlichen Aufgabe zu machen und der Regie der öffentlichen Hand zu unterstellen, ist ein zentraler Punkt unserer Programmatik. Wir haben oft gesagt: Wenn alles privatisiert ist, hat die Politik nichts mehr zu entscheiden. Privatisierung bedeutet in unserer Sicht einen fundamentalen Abbau von Demokratie. Die jüngsten Skandale aus dem Hause Guttenberg sind ja nur die Spitze des Eisbergs und zeigen, wie weit der Prozess der Privatisierung der Gesetzgebung und -noch etwas weiter gefasst, wenn man den Prozess der Selbstentmündigung der Parlamente (Detlev Hensche) oder die Praxis der Parteispenden mitberücksichtigt- der Prozess der Privatisierung der Politik schon gediehen ist.
Transparenz der Politik und umfassende Bürgerbeteiligung sind zentrale Anliegen der LINKEN. Deswegen haben die Vorhaben ihres Netzwerks wie das öffentliche ÖPP-Register oder die systematische Überprüfung von ÖPP-Projekten durch neutrale Stellen in rechtlicher und finanzieller Hinsicht unsere volle Unterstützung, parlamentarisch wie außerparlamentarisch. Wir ziehen hier an einem Strang. Auch DIE LINKE in Hamburg hat sich intensiv mit der Problematik befasst, da ÖPP-Projekte bei der schwarz-grünen Koalition hoch im Kurs stehen. Aus Anlass eines ÖPP-Projektes zur Sanierung mehrerer hundert Schulgebäude in Hamburgs Süden hat die linke Bürgerschaftsfraktion eine Broschüre veröffentlicht, die sich grundsätzlich und empirisch-konkret mit den "Argumenten" der Privatisierer auseinandersetzt. Auch wenn Sie mit der Materie vertraut sind, könnte diese Ausarbeitung für Sie interessant sein. Hier ist der Link:
http://www.linksfraktion-hamburg.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/DIE_LINKE_HH_Fraktion_OEPP_Broschuere_Netz.pdf
Ich kann ihnen versichern, dass DIE LINKE auch in Zukunft der Privatisierungspolitik entgegentreten wird.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Schulz