Frage an Helmut Holter von Marcel R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Holter,
Ihre Partei und Sie persönlich haben vehement gegen
"Hartz IV" Stimmung gemacht. "Armut per Gesetz" gehörte noch zu den harmloseren Redewendungen.
Gleichzeitig haben Sie als Arbeitsminister "Hartz IV" in
Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt, weil Sie sich
dazu rechtlich verpflichtet fühlten. Warum haben Sie nicht
persönliche Konsequenzen gezogen? Sie hätten die Umsetzung anderen überlassen können. Oder ist Ihnen der Ministersessel schon zu sehr ans Herz gewachsen?
Mit freundlichem Gruß
Marcel Ramthun
Sehr geehrter Herr Ramthun,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Frage, zumal Sie daran erinnern, dass Linkspartei und ich vehement gegen Hartz IV waren. Ich habe mich gegen die Hartz-Vorschläge gewandt, lange bevor sie Gesetz waren. Persönlich und konsequent. Und ich bin bis zur Stunde der Meinung, dass Hartz IV weg muss. Beim überwiegenden Teil der Empfängerinnen und Empfänger des Arbeitslosengeldes II hat das Gesetz dazu geführt, dass sie weniger Geld in der Tasche haben. Das ist unbestritten und wird mir dieser Tage landauf, landab bestätigt. Für viele Menschen ist unterdessen Hartz IV auf bittere Weise zur Armut per Gesetz geworden.
Ich bin froh, dass Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat nicht für die Hartz-Gesetze gestimmt hat. Aber weder die Kraft meiner Partei noch die Stimme ungezählter Menschen in Deutschland - ich erinnere an die Demonstrationen von Hunderttausenden - haben ausgereicht zu verhindern, dass Hartz IV Gesetz wird. Dessen Umsetzung ist keine Gefühlssache. Jedes Bundesland ist dazu grundgesetzlich verpflichtet. Buchstabengetreu. Womöglich verbinden Sie mit dem Begriff "Umsetzung" die Annahme, dabei etwas verändern, verbessern, zum Guten wenden zu können. Das ist leider eine Illusion. Eine handwerklich schlechte, zögerliche Umsetzung hätte bewirkt, dass jene Menschen, die es besonders brauchen, verspätet ihr Arbeitslosengeld erhalten hätten. Oder in falscher Höhe.
Und damit bin ich bei Ihrer Frage, bei Ihrem Vorschlag, die verwaltungstechnische Umsetzung eines Gesetzes einem anderen Minister zu überlassen und selbst mit einem Rücktritt vom Amt ein politisches Zeichen zu setzen. Sie können zuverlässig davon ausgehen, dass ich das nicht nur angeboten, sondern einen solchen plakativen Schritt mit meinen Genossinnen und Genossen beraten habe.
Sie wiederum hielten es für geboten, mit anderen Interessenvertretern von Hartz-Betroffenen zusammen zu entscheiden - mit DGB-Gewerkschaftern, mit dem Arbeitslosenverband, mit Wohlfahrtsverbänden, mit Frauenorganisationen. Und von jenen wurde bei einer Beratung, die unmittelbar nach der Zustimmung zu dem Hartz-Gesetz stattfand, heftig vor einem solchen Schritt gewarnt. Mehr noch, sie haben zu verstehen gegeben, dass sie sich die Umsetzung in keinem anderen Ministerium vorstellen könnten, nicht obwohl, sondern weil der zuständige Minister ein erklärter Gegner von Hartz IV ist. Dies heute mehr als gestern.
Mit freundlichem Gruß
Helmut Holter