Frage an Helmut Holter von Jens B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Holter!
Vielen Dank für Ihre rasche Antwort .
Das Wort Wohnumfeldverbesserung erscheint mir in diesem Zusammenhang immer noch wie ein Euphemismus, welchen ich deshalb nicht verwenden möchte. Andere Massnahmen seien damit nicht in Frage gestellt, ging und geht es mir doch um den Abriss.
Ich erlaube mir eine Nachfrage an Sie zu richten: Sie betonen, dass es keine Alternative geben würde, weil viel Leerstand herrschen würde. Die Zahlen sind sicherlich richtig, ich erlebe das ja jeden Tag hier.
Jedoch wies ich ja schon in meiner Frage darauf hin, dass insbesondere Familien in diesem immer ärmer werdenden Stadtteil immer noch gezwungen sind in viel zu kleinen Wohnungen zu wohnen. Auch das erlebe ich täglich. (auch beruflich)
Als Betonbauingenieur wissen sie, dass sich Plattenbauten, wie die jetzt abgerissenen, in ihren Wohnungszuschnitten relativ einfach verändern lassen. Warum also nicht die staatlichen Gelder dazu verwenden, dass bezahlbare große Wohnungen entstehen? Warum sollte nicht auch Toitenwinkler Kinder das Recht auf ein eigenes Kinderzimmer haben, wo jetzt viele sich zu zweit ein Zimmer teilen?
Immer wenn es heißt, es gäbe keine Alternativen, dann werde ich hellhörig. Kennen Sie TINA? Hier kommt für mich eher Fantasielosigkeit und die Macht der Wohnungswirtschaft zum Ausdruck.
Ähnlich verhält es sich mit den abgerissenen Schulen. Junge Menschen, die hier im Stadtteil Proberäume für Musik suchen müssen sich in Wartelisten eintragen und ehemalige Schulen werden abgerissen statt diese z.B. in diesem Sinn (mit Lärmschutz ausgestattet) umzubauen. Das macht traurig. Insbesondere weil es sich ja um Gebäude handelt, die wie auch sie betonen erst Ende der 80er gebaut wurden.
Vielleicht sehen Sie als Abgeordneter, als Minister in diesem Zusammenhang Möglichkeiten Impulse gegen die allgemeine Alternativlosigkeit zu geben?
Ich würde mich freuen und verbleibe mit freundlichem Gruß!
Jens Bantik
Sehr geehrter Herr Bantik,
ja, ich kenne Tina (Sie meinen sicher die Abkürzung für "There is no alternative"), aber ich halte nichts von ihr. Selbstverständlich gibt es immer Alternativen. Und Ihre Vorschläge sind zweifellos machbar -- in anderen Stadtteilen mit anderen demografischen Entwicklungen werden sie
auch realisiert.
Es gibt immer Alternativen und es gehört zu politischer Verantwortung, diese Alternativen zu prüfen. Auch in Ihrem Stadtteil gibt es diese Prüfung, auf Neudeutsch ein Monitoring im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung. Und eben dieses Monitoring kommt zu den besagten
ernüchternden Ergebnissen.
Es ist technisch möglich, aus kleineren Wohnungen größere zu machen, aber in Toitenwinkel stehen heute bereits vor allem die größeren Wohnungen mit vier bis fünf Räumen leer. Und dies nach Aussagen der Fachleute vor Ort nicht wegen horrender Mieten. Sie liegen in Toitenwinkel auch für sanierte Wohnungen deutlich unter dem Durchschnitt der Hansestadt, wenn Rostock auch eine Spitzenstellung unter den Städten einnimmt. In Ihrem Stadtteil sind Wohnungen bis zu 50 Prozent
preiswerter als anderswo in der Stadt.
Aber der Markt vermag die demografische Entwicklung nicht auszuhebeln. Zu dieser Entwicklung gehört, dass in Deutschland weniger Kinder geboren werden und Menschen (ab-)wandern. Dazu gehört, dass so genannte Single-Haushalte, die kleinere Wohnungen beanspruchen, zunehmen. Darauf
muss auch die Wohnungswirtschaft reagieren.
In Ihrem Stadtteil hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler halbiert. Und von einem Babyboom in Toitenwinkel ist leider nichts bekannt, die Schülerzahlen werden also auf absehbare Zeit nicht
sprunghaft steigen.
Deshalb bitte ich Sie, Ihren Vorschlag, ungenutzte Schulräume zu Proberäumen umzubauen, noch einmal vor Ort vorzutragen. Dazu wird Ihnen meines Wissens schon im nächsten Monat Gelegenheit gegeben, wenn zum Start des Programms "Soziale Stadt" eine Bürgerversammlung stattfindet. Zu diesem Programm gehört übrigens die Modernisierung des Begegnungszentrums. Und wenn ich richtig informiert bin, sollen dort
auch Räume für Proben zur Verfügung gestellt werden.
Sehr geehrter Herr Bantik, die Aufnahme von Toitenwinkel in das Programm "Soziale Stadt" bringt nur etwas, wenn sich die Einwohnerinnen und Einwohner selbst aktiv an der Stabilisierung des Stadtteils beteiligen. Mein Haus wird in diesem Jahr wahrscheinlich dafür eine Million Euro zur Verfügung stellen. Ich bitte Sie herzlich, sich mit Ihren Ideen vor Ort einzubringen. Und zwar ganz im Sinne von Pierre Bourdieu, von dem der Begriff Tina-Prinzip ja wohl stammt, und der sich zeitlebens immer
wieder für gesellschaftliche Alternativen eingesetzt hat.
Mit freundlichem Gruß
Helmut Holter