Frage an Helmut Holter von Matthias M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Holter,
am vergangenen Sonntag (7. August 2011) sprachen Sie im NDR-Fernsehen ("DAS!") davon, dass Ihre Partei in der rot-roten Koalition die Entscheidungen in Politik und Verwaltung im Dialog mit den Betroffenen herbeigeführt habe.
Da meine Erfahrung (als Verwaltungsmitarbeiter) eine gänzlich andere - nämlich die einer Oktroyierung von oben ohne Anhörung von Betroffenen und Interessengruppen - war, wäre ich an einem Beleg Ihrer vorgestrigen Aussage für folgende Stichworte interessiert:
- Informationsfreiheitsgesetz;
- Errichtung der Landesämter (Landesamt für Kultur und Denkmalpflege etc.),
- Personalkonzepte für die Landesverwaltung.
Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Manke,
vielen Dank für Ihr Interesse. Gerne will ich Ihnen einige Beispiele nennen, die den Politikstil unter Rot-Rot gekennzeichnet haben.
Ob in der Arbeitsmarktpolitik, der Landesentwicklung, der Umwelt- oder Sozialpolitik, die linken Ministerinnen und Minister haben bei allen ihren Entscheidungen den Verbänden, Vereinen und Kommunen ein umfassendes Anhörungsrecht ermöglicht. Entscheidungen wurden erst nach intensiven Diskussionen vor Ort und auch in den Ministerien getroffen. Es wurden Landes- und Regionalbeiräte geschaffen. Das Lehrerpersonalkonzept wurde in intensiver Zusammenarbeit mit der GEW erarbeitet. Die Ausweisung der FFH-Gebiete erfolgte in enger Abstimmung mit den Umweltverbänden. Das Sportfördergesetz wurde mit dem Landessportbund erarbeitet. Die Position der Linken, im Rahmen der Haushaltskonsolidierung keine betriebsbedingten Kündigungen zuzulassen, führte zu dem Personalpool für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Stellen wegfielen. Für die Planung und die Umsetzung des Europäischen Sozialfonds (ESF) erhielten der DGB und die Vereinigung der Unternehmensverbände Mittel für Personalstellen. Usw.
Das Infomationsfreiheitsgesetz wurde 2006 nach intensiven Beratungen in allen Fachausschüssen des Landtages verabschiedet. Ich war und bin der Überzeugung, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ein Recht auf Information über Verwaltungsvorgänge hat. Allein die Kommunalen Spitzenverbände und die damalige oppositionelle CDU-Fraktion äußerten Bedenken. Ansonsten traf das Gesetz auf breite Zustimmung. Heute wissen wir, dass sich die vereinzelt vorgetragene Kritik als unbegründet erwiesen hat, das Informationsfreiheitsgesetz wurde entfristet. Im Gesetzentwurf von SPD und CDU ist zu lesen: „Seit dem Inkrafttreten des IFG M-V kann festgestellt werden, dass die Bürger den Informationszugangsanspruch als neues Instrument der Teilhabe am Verwaltungshandeln aufgegriffen haben. Es zeigt sich ein nachweisbares Interesse der Bürger an einer Informationszugangsgewährung durch die Behörden. Aus der Anzahl der Informationsbegehren ergibt sich, dass die Bürger von ihrem neuen Recht Gebrauch machen, ohne dass es dadurch zu Überlastungen der öffentlichen Stellen oder der Gerichte gekommen wäre. Die öffentlichen Stellen als Adressaten des Informationszugangsanspruchs haben mit der Anwendung des IFG M-V rechtlich Neuland beschritten. Hinweise auf grundlegende rechtliche oder praktische Probleme gibt es nicht. Befürchtungen, dass der Informationszugangsanspruch missbraucht werden könnte, haben sich nicht bestätigt.“
Zur Funktionalreform im Allgemeinen und zur Errichtung von Landesämtern im Besonderen kann man natürlich unterschiedlicher Auffassung sein. Unbestritten dürfte aber sein, dass gerade diese Reform ausgesprochen intensiv und kontrovers mit allen Beteiligten diskutiert wurde, unzählige vor allem gerade externe Gutachten wurden eingeholt. Heute stellen etwa die kommunalen Spitzenverbände mehrfach öffentlich fest, dass die rot-rote Funktionalreform weitaus besser war als das aktuelle rot-schwarze Aufgabenzuordnungsgesetz.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Holter