Harald Gindra
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Frage von Dieter P. •

Frage an Harald Gindra von Dieter P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Gindra,
als Ingenieur habe ich mich damit beschäftigt, Produktionsabläufe zu automatisieren, Produkte so zu gestalten, dass sie automatisiert hergestellt werden können und Betriebsabläufe so zu arrangieren,
dass möglichst wenig Personal dafür gebraucht wird.
Diese Entwicklung ist noch längst nicht zu Ende und betrifft wirklich alle Bereiche unseres Arbeitslebens und alle Bereiche der Lohnstruktur.

Ein Beispiel, dass diese Entwicklung deutlich zeigt, ist die RFID – Technologie (Radio Frequency Identification). Sollte ein Anwender, z.B. eine Supermarktkette, diese Technologie für den Kassenbereich einführen, so fallen fast alle Arbeitsstellen der KassiererInnen weg. Das Unternehmen hat sich dadurch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft und die Mitbewerber müssen ebenfall diese Technologie einführen um auf dem Markt zu bestehen. So fallen lawinenartig tausende Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich weg:

http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/1/rfid/index.jhtml?rubrikenstyle=wirtschaft

Ein weiteres Beispiel ist die Einsparung von mehr als 100000 Arbeitsplätze in den Verwaltungen von Industrieunternehmen durch Rechnereinsatz:

http://www.handelsblatt.com/news/default.aspx?_p 0812&_t=ft&_b18610

Dies sind nur wenige Beispiele von vielen und zeigen, dass Wachstum nicht unbedingt Arbeitsplätze schafft. Fast alle Parteien setzen auf Entlastung der Betriebe und hoffen auf die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Dies ist meiner Meinung nach nicht realistisch. Ein Unternehmer wird immer auf höchstmöglichste Produktivität und Qualität bei geringsten Kosten achten – und Personalkosten bilden da ein sehr großes Einsparpotenzial.
Hat Ihre Partei noch andere Konzepte zum Bereich Arbeit, Einkommen und Rente, die zukunftssicher sind und sich nicht auf die übliche Floskel: „Wachstum bringt Arbeitsplätze“ stützen? Ich meine dabei ein wirklich neues und anderes realisierbares System.

Mit freundlichen Grüßen,
Dieter Pingel

Harald Gindra
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Pingel,
ich danke Ihnen für die interessante Frage, die ich leider erst jetzt beantworten kann.
Ich teile Ihre Ansicht, dass "Wachstum nicht unbedingt Arbeitsplätze schafft".
Diese Frage geht natürlich weit über Landeswahlen hinaus und den begrenzten Möglichkeiten dies mit Landespolitik zu beeinflussen.
Kurz zum Grundsätzlichen: Schon die Schröder-Regierung (SPD/Grüne) ist an dem Trugschluß gescheitert. Mit Förderung der Gewinne (Steuerentlastung für Unternehmen und Reiche) und Verbilligung der Arbeitskraft (durch Herabsetzung der Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose und Hartz IV) versuchten sie Wachstum zu stimulieren und die Arbeitslosenstatistik zu schönen. Unter Merkel wird dieser Weg noch verschärft fortgesetzt. Neoliberale beten Marktkräfte an und ordnen den Menschen unter. Das wirtschaftliche Handeln hat aber nach unserem Verständnis dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt. Deshalb verfolgt Die Linke Ansätze, die den Vorrang der Profitlogik beim Wirtschaften einschränken. Ein kleiner Schritt und trotzdem schon schwer durchsetzbar, ist z.B. der Mindestlohn, wofür Die Linke und Gewerkschaften eintreten. Es kann nicht akzeptiert werden, dass jemand trotz Vollzeitarbeit in Armut leben muss. Wir sagen auch, eigentlich ist die hohe Produktivität menschlicher Arbeitskraft (solange sie nicht auf Raubbau an Menschen oder Natur gründet) ein Segen. Bedeutet sie nicht, dass mit immer weniger Ressourceneinsatz die menschliche Versorgung gesichert werden könnte? Zum Widerspruch wird es in einer gesellschaftlichen Ordnung, in der dies bedeutet, dass immer mehr Menschen von Existenzmöglichkeiten abgeschnitten werden und für jene auch Grundversorgung (wie Bildung, Gesundheit, Altenpflege und Kultur) eingeschränkt wird, weil diese auch zunehmend zu Verdienstquellen von Privaten gemacht werden soll.
Das sind aber von Menschen gemachte Bedingungen - keine Naturgesetze!
Die Linke entwickelt im Dialog mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften Konzepte die über die vorherrschende Profitlogik hinausgehen! Dazu gehören z.B. auch Modelle der Grundsicherung, wozu die PDS/Linkspartei mehrmals Initiativen im Bundestag ergriffen hat. Mehr zu dem Gesamtproblem im Programm der Linkspartei
( http://sozialisten.de/partei/dokumente/programm/index.htm )
Auch auf Landesebene versuchen wir trotz der widrigen Bedingungen Berlins (Strukturprobleme und bewußt herbeigeführte Finanznot) andere Wege zu gehen:
Wir sind die Partei, die sich Privatisierungen widersetzt hat, so bei öffentliche Wohnungen, Kliniken, Nahverkehr, Kitas. Wir schlagen statt Hartz IV Modelle vor, die zu Vollzeitarbeitsplätzen führen. Wir unterstützen Selbstorganisation, z.B. in Genossenschaften und haben die Investitionsbank Berlin auf die tatsächliche Förderung von regionaler Wirtschaftstätigkeit ausgerichtet. Mehr im Landeswahlprogramm
( http://www.linkspartei-berlin.de/wahlen/wahl_2006/wahlprogramm/ )
Sicher ist die Antwort für diese grundsätzliche Frage nicht erschöpfend, daher lade ich Sie ein mit uns direkt in den Dialog zu treten - dort wo sie uns antreffen an Ständen und Veranstaltungen.
Ihr Harald Gindra