Portrait Harald Ebner mit blauem Hemd vor grünem Hintergrund. Lächelnd.
Harald Ebner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas R. •

Frage an Harald Ebner von Andreas R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Ebner,

ich wende mich an Sie, da Sie in der Landwirtschaftspolitik sehr aktiv sind.

Ein Thema, dem möglicherweise viel zu wenig Aufmerksam geschenkt wird, ist das anstehende Phosphorfördermaximum (peak phosphorus). Phosphor ist ein Hauptbestandteil von Düngemitteln und für Pflanzen unersetzlich. Durch die industrialierte Landwirtschaft werden Düngemittel und somit von Phosphor in Massen seit Jahrzehnten eingesetzt. Grössere Vorkommen gibt es derzeit u.a. noch in Nordafrika, China und Syrien. Die erschlossenen Ressourcen von Phosphor weltweit sind begrenzt. Zwar ist davon auszugehen, dass durch neue Technologien auch zukünftig weitere Quelle erschlossen werden, jedoch wird dies immer schwieriger werden. Bei wachsender Weltbevölkerung steigt gleichzeitig der Bedarf nach Phosphor. Ähnlich wie beim Erdöl (Stichwort: peak oil) wird es daher in absehbarer Zukunft zu einem Fördermaximum von Phosphor kommen, danach zu einem allmählichen Rückgäng und schliesslich zu einem Zusammenbruch der förderbaren Vorkommnisse. Cordell & White (2011) -- siehe https://doi.org/10.3390/su3102027 -- gehen davon aus, dass das Phosphorfördermaximum etwa 2033 erreicht sein wird. Zwar gibt es von industrienahen Wissenschaftlern auch optimistischere Schätzungen, jedoch ändern auch diese am grundsätzlichen Problem nichts: Ohne Phosphor wird es auf Dauer keine industrielle Landwirtschaft geben. In 100, vielleicht 200 Jahren wird die Weltbevölkerung nicht mehr ernährt werden können.

Ist das Thema im Ausschuss behandelt worden, d.h. ist die Dramatik des Phosphorproblems im Bundestag bekannt? Gibt es bei den Grünen bereits Lösungsvorschläge, wie die knappe Ressource Phosphor nachhaltig eingesetzt werden könnte?

Mit freundlichen Gruessen
A. R.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.

Das von Ihnen angesprochene Problem ist sowohl national als auch auf EU-Ebene bereits seit einigen Jahren auf der politischen, insbesondere auch grünen, Agenda. Die Thematik ist auch in verschiedenen Ministerien sowie im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft erörtert worden (siehe http://m.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/klaerschlamm_phosphor_konsultative_mitteilung_bf.pdf ). Forschungsinstitutionen (u.a. die Fraunhofer-Gesellschaft) und Bundesbehörden (Umweltbundesamt) haben sich ebenfalls bereits mit dieser Frage beschäftigt (siehe https://www.umweltbundesamt.de/themen/phosphor-recycling-aus-klaerschlamm-lohnt-sich und http://www.isi.fraunhofer.de/isi-wAssets/docs/n/de/publikationen/Abschlussbericht_PhoBe-1.pdf ).

Es ist zwar unter Experten umstritten, ob der sogenannte „Peak Phosphor“ bereits in 15 Jahren erreicht sein wird. Seit den 80er Jahren ist es erfreulicherweise bereits gelungen, den landwirtschaftlichen Verbrauch von Phosphor in Deutschland und weiteren OECD-Staaten deutlich zu reduzieren. Dennoch ist es aus ökologischen und sicherheitspolitischen Gründen zweifellos wichtig, die Abhängigkeit von Phosphorimporten zu minimieren und weitere Anstrengungen zur einer möglichst effizienten Verwendung von Phosphor zu unternehmen.

Um der zu erwartenden wachsenden Knappheit an Phosphor zu begegnen, hat der Deutsche Bundestag am 29. Juni 2017 eine Neuordnung der Klärschlammverwertung beschlossen hinsichtlich einer Verpflichtung für kommunale Kläranlagen, die technischen Voraussetzungen für die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwässern und Klärschlamm zu schaffen. Weitere Potentiale zur Phosphorrückgewinnung bestehen bei Bioabfällen (u.a. Schlachtabfälle) und Reststoffen aus Biogasanlagen etc. . Ein wichtiger Forschungsansatz ist die Nutzung bzw. Förderung symbiotischer Pilze im Boden (insbesondere Mykorrhiza) welche Nutzpflanzen mit Phosphat versorgen können. Grünes langfristiges Ziel ist die Schaffung weitgehend geschlossener Nährstoffkreisläufe in der Landwirtschaft, wie es bereits im Ökolandbau Leitprinzip ist.

Handlungsbedarf besteht auch nach wie vor im Bereich Düngegesetzgebung. Obwohl diffuse Phosphateinträge aus der Landwirtschaft noch immer eine der wichtigsten Quellen für Gewässerbelastungen sind, lässt die Düngeverordnung Phosphatüberschüsse bedauerlicherweise weiterhin zu. Das konterkariert den effizienten Umgang mit dieser Ressource.

Ich teile nicht die These, dass nur industrielle Landwirtschaft die Welternährung sicherstellen kann. Mehrere Studien belegen, dass mit Ökolandbau auch eine gestiegene Weltbevölkerung ernährt werden kann. Laut dem früheren UN- Sonderbeauftragten für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, haben Projekte in Afrika belegt, dass mit modernen Ökolandbaumethoden eine Verdoppelung der Erträge von Kleinbauern möglich ist, welche die zentrale Schlüsselgruppe bei der erfolgreichen Bekämpfung des Welthungers bilden. Auch Berichte des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages und der Weltagrarbericht sowie Auswertungen von Projekten und Studien zu anderen Weltregionen haben erhebliche Ertragssteigerungspotentiale bei Kleinbauern durch den Ökolandbau aufgezeigt. Zudem gibt es vielfältige Forschungsansätze, um auch in nördlicheren Breiten die gesamtdurchschnittliche Ertragslücke von durchschnittlich 20 Prozent zwischen konventioneller und ökologischer Produktion zu verringern. Dafür muss die Benachteiligung des Ökolandbaus bei Agrarforschungsmitteln beendet werden. Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Ernährungssicherheit ist auch das Problem, dass bislang global circa 40 Prozent der Nahrungsmittelproduktion als Nachernteverluste durch Verderb verloren gehen (u.a. durch schlechte Lagerung und mangelnde Transport- und Kühlmöglichkeiten).

Es gibt also Alternativen zur hohen Input-Abhängigkeit der industriellen Landwirtschaft, die einer gezielten Förderung und Erschließung bedürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Ebner

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